Nachricht 20. Mai 2020

Christian Sewing: Wir sind als Bank für Nachhaltigkeit ideal aufgestellt

Das Corona-Virus hat den Kampf gegen den Klimawandel aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt. Hat das Thema an Bedeutung verloren?

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Das Coronavirus macht uns Menschen manches erst bewusst. Wir alle stellen auf einmal fest, wie es sich anfühlt, wenn die Luft sauberer ist, welchen Wert eine intaktere Natur hat. Außerdem hat durch Corona die Angst vor großen Katastrophen zugenommen. Das wird sich auch in der Politik widerspiegeln. Das Thema Klimawandel wird also wichtiger und nicht unwichtiger werden.

Was heißt das für die Banken?

Ganz konkret heißt das: Abwarten gilt nicht, wir müssen das Thema selbst vorantreiben. Zum einen, weil sich politisches Denken mit Blick auf Nachhaltigkeit zunehmend darin ausdrückt, wie wir Banken reguliert werden. Zum anderen aber vor allem aus dem Bewusstsein der eigenen Verantwortung und der eigenen Möglichkeiten. Denn wir spielen eine ganz zentrale Rolle: Wir können und müssen Energieproduzenten, Fluggesellschaften oder Autohersteller dabei unterstützen, nachhaltiger zu wirtschaften.

Wie das?

Wir sind das Tor zum Kapitalmarkt. Wir haben es in der Hand, nachhaltige Investitionen zu finanzieren oder das Kapital für derartige Investitionen von Investoren zu organisieren. Wir haben allein in diesem Jahr Anleihen für unsere Kunden im Bereich Umwelt und Soziales (ESG) von rund 3,5 Milliarden Euro platziert.

Die Deutsche Bank hat nun erstmals Ziele veröffentlicht. Ist das vor allem ein Signal nach außen oder auch nach innen?

Viel wichtiger ist mir persönlich das Signal nach innen. Dieses Ziel ist im Zusammenspiel mit den Geschäftsbereichen entstanden. Alle deren Vertreter im Nachhaltigkeitsrat waren aufgefordert, ihre Wachstumspläne vorzulegen und aufzuzeigen, was sie beitragen können. Wir haben dann die Pläne noch einmal mit den Marktdaten und unserem Marktanteil validiert.

Wir haben eine gute Ausgangsbasis, da unser Trend bei nachhaltigen Finanzierungen und Investitionen bereits seit zwei Jahren nach oben zeigt. Wir sind also sehr zuversichtlich, dass wir dieses ehrgeizige Ziel erreichen. Und damit haben wir nun einen Maßstab und die Transparenz, um Quartal für Quartal zu sehen, wo wir in den einzelnen Geschäftsbereichen stehen.

Warum berichtet die Bank dann nur einmal im Jahr und nicht jedes Quartal?

Weil wir immer nur versprechen wollen, was wir dann auch verlässlich liefern können. Ich möchte selbst erst einmal genau sehen, wie schnell wir die Zahlen zum Quartalsende bekommen, wie die Qualität der Daten ist und wo wir den Prozess verbessern müssen. Im Idealfall würden wir von der Vergabe der nachhaltigen Kredite und Anleihen bis hin zum Vertrieb einen automatischen Prozess haben, einschließlich der Finanzberichterstattung. Aber dahin müssen wir erst kommen.

Wo stehen Sie mit Ihrem Ziel im Vergleich zu den Wettbewerbern?

Wir sind damit sehr gut unterwegs. Es geht eben nicht nur um die Höhe des Ziels, sondern auch den Zeitraum, in dem wir es erreichen wollen. Sowohl bei der absoluten Zahl als auch beim Zeitraum müssen wir uns nicht verstecken.

Eine Zahl allein macht noch keine Strategie. Wie integriert die Deutsche Bank Nachhaltigkeit in unsere Geschäftsstrategie?

Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, dann denken wir in vier Kategorien. Erstens geht es für uns als Bank um Sustainable Finance, also das, was wir an nachhaltigen Finanzierungen und Finanzanlagen für unsere Kunden bereitstellen. Zweitens müssen wir auch sagen, was wir nicht tun wollen, also unsere Richtlinien oder Policies, wie wir sie nennen.

Dann haben wir drittens unseren eigenen Betrieb. Und viertens schauen wir, wie wir mit unseren Beiträgen den Diskurs voranbringen können, Stichwort Thought Leadership. Überall haben wir Fortschritte gemacht. Das Ziel von 200 Milliarden Euro betrifft ja nur den Bereich Sustainable Finance – genauso wie die Emission unserer ersten eigenen grünen Anleihe.

Wann geht die an den Markt?

Sobald das Umfeld dafür günstig ist und wir eine Refinanzierung brauchen. Wichtig war, dass wir bereit dazu sind und unser Rahmenwerk extern testiert wurde. Das ist nun der Fall.

Wie sieht es bei den internen Richtlinien aus? Wir werden dafür kritisiert, dass wir immer noch Geschäfte mit Energieunternehmen aus dem Kohlebereich oder Öl- und Gasfirmen machen.

Mich stört an dieser Kritik, dass es da nur schwarz und weiß gibt. Nach dem Motto: Das ist eine Ölfirma, dann darf man mit ihr kein Geschäft machen. Das wäre so, als würde man den Menschen morgen sagen, ihr dürft jetzt nicht mehr tanken, weil es schlecht fürs Klima ist. Dabei muss es doch eine sinnvolle und realistische Transformation gehen. Wir wollen also Unternehmen dabei unterstützen, ihren CO2-Ausstoß möglichst schnell zu verringern. Darin liegt die große Herausforderung, das spüren wir im Gespräch mit unseren Kunden, die hier unseren Rat suchen.

Aber es muss doch Geschäfte geben, die Sie heute schon nicht machen sollten?

Ja, die gibt es. Dafür haben wir auch bereits Richtlinien, etwa für die Kohlefinanzierung. Allerdings müssen wir hier klarer werden und uns einen transparenten Rahmen setzen. Wir arbeiten deshalb jetzt an einer Öl- und Gas-Richtlinie, die einen Weg vorgibt, wie wir unser Engagement in diesem Bereich reduzieren. So, wie wir es bei Finanzierungen von Kohlekraftwerken erfolgreich getan haben, wo wir unser Engagement gegenüber 2016 bereits weit über das Ziel von 20 Prozent zurückgefahren haben. Diese neue Öl- und Gasrichtlinie wollen wir bis Ende Juli verabschieden.

Was ist das Ziel dieser Nachhaltigkeitsoffensive für Sie als Vorstandsvorsitzenden? Geht es eher darum, Verantwortungsbewusstsein zu zeigen oder sehen Sie hier ein Geschäftsmodell mit entsprechenden Erträgen und Gewinnen?

Beides. Natürlich sehen wir es als unsere Pflicht an, dass die Deutsche Bank ein verantwortungsbewusster Unternehmensbürger ist. Aber wir sehen hier auch eine großartige Chance, als Bank zu wachsen. Wir sind ideal dafür aufgestellt. Denn mit unseren Geschäftsbereichen, allen voran der Investmentbank und der Unternehmensbank, können wir die Vermögenswerte generieren, in die unsere institutionellen und privaten Anleger investieren wollen. Als globales Finanzierungshaus haben wir hier einen Vorteil gegenüber allen anderen Banken in Europa.

Also es besteht nicht die Gefahr, dass diese Nachhaltigkeitsoffensive auf Kosten der Aktionäre geht, weil Umsatz und Gewinne sinken könnten?

Das sehe ich nicht so. Natürlich gehört zu unserem Ansatz auch, „nein“ zu sagen, wenn es angebracht ist – aber das machen wir in der Risikoprüfung in anderen Bereichen der Bank auch jeden Tag. Wir wollen keine Geschäfte mit hohem Risiko für Kunden, Umwelt und Gesellschaft – dafür gibt es ja unsere Richtlinien, die wir nun weiter verschärfen.

Aber ich glaube, dass ein anderer Aspekt überwiegt. Die ökologische Transformation bietet allen Beteiligten große Chancen, weil sowohl Kunden als auch Investoren immer größeren Wert auf klimafreundliches Wirtschaften legen. Das spüren alle unsere Kolleginnen und Kollegen, die täglich im Kontakt mit Kunden stehen. Ich bin mir ziemlich sicher: Nachhaltigkeits-Ratings werden in wenigen Jahren mindestens so wichtig sein wie die klassischen Bonitätsnoten von Fitch, Moody‘s und S&P.

Kunden und Investoren werden darauf achten, dass die Deutsche Bank als Unternehmen selbst auch klimafreundlich operiert. Wie weit sind Sie?

Sehr weit, wobei wir es auch etwas leichter haben als viele klassische Industriebetriebe, wenn es um unsere Klimabilanz geht. Wir arbeiten seit 2012 de facto klimaneutral, haben seit 2011 den CO2-Ausstoß um 60 Prozent verringert und beziehen fast 80 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Den Rest kompensieren wir mit Zertifikaten. Aber wir können noch mehr tun, daher haben wir uns auch für unseren eigenen Betrieb konkrete Ziele gesetzt.

So wollen wir bis 2025 unseren Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen beziehen. Wir arbeiten an klimafreundlichen Veränderungen bei unserer Dienstwagenflotte und bei Dienstreisen, wir wollen die Zahl der Flüge reduzieren. Es gibt zudem in unserem eigenen Bankbetrieb mit Blick auf die Umwelt noch einiges zu verbessern – zum Beispiel beim Papierverbrauch. Hier setzen wir auch die Ideen und den Einsatz unserer Kolleginnen und Kollegen weltweit.

Wird der Vorstand da die Vorgaben machen?

Der Vorstand möchte klimafreundliches Wirtschaften im eigenen Haus nicht ständig per Dekret bestimmen, sondern setzt auf das Engagement jeder und jedes Einzelnen. Ein Beispiel dafür ist, dass wir aus den deutschen Standorten im vergangenen Jahr fast alle Einweg-Kaffeebecher und Plastikbehälter verbannt haben. Tolle Initiative.

Die Finanzindustrie hat im vergangenen Jahrzehnt viel von ihrer Reputation verspielt. Wieso sollen Politik und Gesellschaft beim Kampf gegen den Klimawandel jetzt ausgerechnet auf die Banken vertrauen?

Ohne Banken wird es nicht gehen. Über unsere Bilanzen haben wir einen einzigartigen Hebel, die Transformation zu einer klimafreundlicheren und sozialeren Welt zu begleiten. Dieser Verantwortung wollen wir gerecht werden. Aber: Im Alleingang kriegen wir das nicht hin, nicht als Deutsche Bank und auch nicht als Branche. Wir brauchen Standards, damit es einheitliche und verlässliche Wettbewerbsbedingungen gibt. Dies werden wir nur erreichen, wenn Gesetzgeber, Regulierer, aber auch private Firmen eng zusammenarbeiten. Wir als Bank wollen auch hier Teil der Lösung sein. Deshalb sind wir in ständigem Austausch mit Politik, Wirtschaft, Verbänden und Nichtregierungsorganisationen.

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