Nachricht 4. Februar 2025

Grüner Stahl – Wie Salzgitter die Stahlindustrie neu erfindet

Eine Branche im Umbruch

Der Hochofen, Herzstück der Stahlherstellung, braucht Kohle, um bei über 1.500 Grad Roheisen zu gewinnen. Und Kohle bedeutet CO₂ – viel CO₂. Allein die deutschen Stahlwerke stoßen jährlich rund 40 Millionen Tonnen aus. Das kann so nicht bleiben, denn die EU und der Klimaplan der Bundesregierung setzen strenge Grenzen.

SalzgitterAG-smelter-at-blast-furnace--Schmelzer-am-Hochofen-der-SalzgitterAGDoch dieser Wandel kostet. Laut einer Studie der Strategie-Beratung Oliver Wyman müsste die Branche weltweit 1,5 Billionen Euro investieren, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Besonders in Europa ist der Druck für die Produzenten groß: Zum einen hat die Region ehrgeizige Klimaziele, gleichzeitig produzieren asiatische Produzenten wie China günstiger und mit weniger Umweltauflagen.

Umweltfreundlich produzierter Stahl könnte aber zu einem Wettbewerbsvorteil werden, denn die Nachfrage steigt: Tatsächlich reduziert klimafreundlich produzierter Stahl die Emissionen für nachgelagerte Industrien erheblich– das betrifft insbesondere die Automobilindustrie, Haushaltsgeräte aber auch On- und Offshore-Windkraft.

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Der Stahlsektor ist ein entscheidender Faktor für die Dekarbonisierung unterschiedlichster Industrien, da die Verwendung von grünem Stahl die vorgelagerten Scope-3-Emissionen von Unternehmen reduziert - ein Faktor, der für die deutsche Wirtschaft besonders relevant ist.
Lavinia Bauerochse, Global Head of Sustainable Finance, Deutsche Bank Unternehmensbank

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Salzgitter als Pionier

Mit ihrem Programm SALCOS® (Salzgitter Low CO₂ Steelmaking) verfolgt das Unternehmen eine ehrgeizige Vision: Bis 2033 wollen sie bis zu 95 Prozent ihrer CO₂-Emissionen einsparen. Möglich wird das durch Wasserstoff, der in Zukunft die Kohle ersetzen soll.

Das Prinzip ist einfach, die Umsetzung komplex. Wasserstoff soll das Eisenerz direkt reduzieren – eine Technik, die deutlich weniger CO₂ produziert. Es entsteht kein flüssiges Roheisen mehr, sondern ein fester Eisenschwamm, der in einem sogenannten Elektrolichtbogenofen zu Rohstahl veredelt wird. Damit das gelingt, hat Salzgitter bereits einen Wasserstoff-Elektrolyseur in Betrieb genommen und arbeitet mit Partnern aus verschiedenen Industrien zusammen, um das gesamte Programm auf den Weg zu bringen. Trotz des angespannten wirtschaftlichen Umfelds hält Salzgitter an der Transformation fest, da man überzeugt davon ist, als Vorreiter auch profitieren zu können.

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Hohe Investitionen notwendig

Die Kosten der Transformation sind für die Salzgitter AG jedoch enorm: Für Phase 1 des Salcos-Programms hat Salzgitter bereits 2,3 Milliarden Euro investiert. Da das Programm von der Europäischen Kommission als ein „wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI)“ klassifiziert wurde, gab es einen Finanzierungszuschuss vom Bund und vom Land Niedersachsen in Höhe von insgesamt einer Milliarde Euro, die verbleibenden 1,3 Milliarden Euro bringt die Salzgitter AG selbst auf.

Als langjährige Partner fungierte die Deutsche Bank als Kreditgeber sowie als alleiniger Nachhaltigkeitskoordinator und führte den Klassifizierungsprozess für grüne Kredite durch.

Herausforderungen und Chancen

Doch mit dem Aufbau einer neuen Produktion ist es nicht getan, für die Transformation braucht die Stahlindustrie auch stabile Rahmenbedingungen – dazu zählen unter anderem wettbewerbsfähige Energiepreise, große Mengen an grünem Wasserstoff sowie ein Netz, um dieses zu verteilen. Damit die Transformation zu einem Erfolg wird, brauche Salzgitter stabile wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen.

Martin Zappe, Projektleiter von Salcos, geht davon aus, dass Kunden bereit sind, einen etwas höheren Preis für das umweltfreundliche Produkt zu zahlen. Kunden wie BMW, VW oder Daimler hätten bereits grünen Stahl bestellt, um ihre eigenen Lieferketten nachhaltiger zu gestalten. Und der europäische Markt könnte langfristig profitieren, wenn klimafreundlicher Stahl zu einem Exportprodukt wird. Dennoch spricht man sich bei Salzgitter für sogenannte grüne Leitmärkte aus, bei denen beispielsweise bei öffentlichen Ausschreibungen Quoten für grünen Stahl gibt.

Das Zukunftsbild

Wenn Salzgitter Erfolg hat, könnte das Schule machen. Am Ende könnte die Stahlindustrie nicht nur ihren Platz in der Wirtschaft retten, sondern auch andere Branchen beeinflussen. Der Hochofen galt bisher als schweres Erbe des Industriezeitalters – die neuen Anlagen könnten mit grünem Stahl zum Symbol für die Zukunft werden.

Über Transition Stories

In den Transition Stories beleuchten wir, wie Unternehmen aus CO2-intensiven Branchen ihre Geschäftsmodelle ändern, um nachhaltiger zu werden – und welche Rolle wir als Bank dabei spielen können.

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