Nachricht 22. August 2019

Laufen lernen mit Ottobock

Hans Georg Näder, Inhaber und Enkel des Firmengründers Otto Bock mit der Prothese „Genium“ © Ottobock Ottobock – ein Unter­nehmen, das vor genau 100 Jahren ge­grün­det wurde und seither in Fa­mi­lien­hand ist. Ein Pa­ra­de­beispiel für den deutschen Mit­tel­stand.

Der Me­di­zin­tech­nik­her­stel­ler begann sein Ge­schäft mit der or­tho­pä­dischen Ver­sor­gung von Kriegs­versehrten 1919 in Berlin.

Bis heute hat sich das Haupt­ziel im Wesent­lichen nicht geändert: Menschen, denen ein Arm, ein Bein, eine Hand oder ein Fuß amputiert werden musste, zu mehr Mo­bi­li­tät zu ver­helfen.

Sie sollen wieder voll am Leben teilnehmen können.

Die Deutsche Bank pflegt eine jahr­zehn­telange Kunden­beziehung zu Otto­bock und unter­stützt das Familien­unternehmen bei seinem Wachstum, ob in Deutschland oder an seinen Stand­orten im Ausland.

Das größte Geschäftsfeld von Ottobock ist nach wie vor die Pro­thetik. Hier ist der Familien­konzern Welt­markt­führer. Inzwischen wurden 160.000 Menschen auf der ganzen Welt mit einer Prothese von Ottobock ausgestattet.

Die schlichten Holzprothesen von damals sind mittlerweile komplexen Prothesen­lösungen aus stabilem Carbon gewichen. Bei der patentierten Bein­prothese für den Alltag, dem „C-Leg“, kommen intelligente Steuerungen über Mikroprozessoren zum Einsatz. Anwender können sich damit dynamisch und mithilfe des integrierten Stolperschutzes auch sicher fortbewegen. Eine Smartphone-App ermöglicht sogar die Auswahl verschiedener Modi der Prothese und die Überwachung des Akkustands.

Ich wollte rennen. Dabei wusste ich gar nicht, wie das geht.

Aber nicht nur in ihrem Alltag sollen sich Menschen mit Handicap problemlos fortbewegen: „Wir möchten es Anwendern ermöglichen, Sport zu treiben und darüber hinaus die Gesellschaft für den Behinderten­sport sensibilisieren“, erklärt Lisa Marx, Mitarbeiterin von Ottobock. „Dafür bieten wir spezielle Laufprothesen, wie den Runner oder Sprinter an“, erklärt sie weiter. Diese Sportprothesen bestehen aus einem Carbonfederfuß, der bei Bedarf mit einem Sportkniegelenk kombiniert werden kann. Der Deutsche-Bank-Mitarbeiter Oliver Stoisiek hat den „Runner“ im vergangenen Jahr ausprobieren können.

Paralympics-Sieger und Trainer Heinrich Popow mit Deutsche-Bank-Mitarbeiter Oliver Stoisiek © OttobockOliver Stoisiek aus der Personal­abteilung ist die Fortbewegung mit Prothese gewohnt. Sein Oberschenkel musste amputiert werden, als er noch ein Säugling war. Er hatte damit eigentlich nie Probleme, denn mit seiner Alltagsprothese kann er Wandern, Fahrrad- und Motorradfahren oder auch Schwimmen. Das Joggen stellte allerdings ein Hindernis für ihn dar. „Meine Prothese hat einen Rennmodus. Aber als ich mit meiner Frau joggen gehen wollte, wusste ich überhaupt nicht, wie man rennt“, so Stoisiek.

Nach dieser Erkenntnis ist er im Internet auf die „Running Clinic“ gestoßen, eine Art Lauflern-Schule, die Ottobock zusammen mit Paralympics-Sieger Heinrich Popow ins Leben gerufen hat. Stoisiek bewarb sich und wurde zu der einwöchigen Veranstaltung eingeladen. Popow brachte ihm und elf weiteren Teilnehmern aus ganz Europa den Umgang mit der Laufprothese bei – wie man auf ihr steht und mit ihr läuft und sprintet. „Die Lauffeder ist viel wackeliger und unsicherer als eine normale Prothese “, so Stoisiek. „Sie gibt aber Energie zurück und fördert so die Dynamik des Laufens“, erklärt er.

Intensive Sporteinheiten und emotionale Gespräche

Die Trainingsstunden seien sehr intensiv und natürlich auch anstrengend gewesen. Neben den Übungen gab es auch intensive Gespräche. Vor allem darüber, wie die Teilnehmer mit dem Thema Behinderung umgehen. „Wenn man, anders als ich, nicht mit dem Handicap aufgewachsen ist, kann der Umgang damit schon schwerfallen“, erzählt Oliver Stoisiek. Das habe er auch bei einer jüngeren Teilnehmerin gemerkt, die erst einmal Berührungsängste hatte.

„Das hat sich unter uns Gleichgesinnten aber schnell gelegt. Bei den Sporteinheiten haben wir uns gegenseitig unterstützt, motiviert und so am Ende eine Bindung zueinander aufgebaut“, sagt Stoisiek. Diese Bindung bestehe bis heute, denn alle Teilnehmer stehen nach wie vor in Kontakt.

Auch Heinrich Popow meldet sich hin und wieder. „Von Heinrich war ich sehr angetan“, schwärmt Oliver Stoisiek. „Er teilt unser Schicksal, konnte sich gut in uns hineinversetzen und hat eine tolle Karriere im Leistungssport hingelegt. Heinrich ist sehr engagiert und hat uns die ganze Zeit über motiviert“, erzählt er.

Höhere Aufmerksamkeit für das Thema

„Gesellschaftlich sehe ich im Umgang mit den Themen Behinderung und Handicaps auf jeden Fall eine positive Entwicklung“, so Stoisiek. „Früher sollte ein solches Handicap ja eher kaschiert werden, heute gehen viele sehr offensiv damit um“, erzählt er weiter. Seiner Meinung nach solle dem Thema aber eine noch stärkere Aufmerksamkeit zuteilwerden, gerade für die Menschen, die Probleme mit ihrer Behinderung haben und sich schämen. „Auch das gehört zur Diversität“, sagt er.

Triumphierende Teilnehmer der „European Running Clinic 2018“ mit Heinrich Popow (links im Bild) © Ottobock

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