Mensch und Maschine: Eine historische Hassliebe?
Automatisierung – Fluch oder Segen? Tempo des technischen Wandels. Fachkräftemangel. Was uns heute vor allem mit Blick auf künstliche Intelligenz umtreibt, waren auch vor hundert Jahren schon große Themen.
Sicherheitszentrale einer italienischen Bank Ende der 1980er Jahre
Nehmen Maschinen uns die Arbeit ab oder weg?
Im vorindustriellen Zeitalter arbeiteten die meisten Menschen dort, wo sie lebten – quasi Homeoffice für fast Alle. Doch Schreibtischarbeit war das nicht: Das Kontor, das Büro, etablierte sich erst mit fortschreitender Industrialisierung als Gegenstück zu Werkstatt, Werkhalle und Fabrik.
Und mit den Maschinen kam die Frage: Nehmen sie den Menschen die Arbeit ab oder weg? Sind sie der Freund des Menschen oder ihr Feind? Oder steht am Ende ein Maschinenmensch, wie in Fritz Langs Science-Fiction-Klassiker Metropolis?
Schon 1928 meinte man in der Angestelltenzeitschrift einer Großbank die Antwort darauf gefunden zu haben: „Es ist selbstverständlich, dass die Durchsetzung des Betriebes mit Maschinen bald unterscheiden lässt, wer nur die Maschine bedient und wer sich der Maschine bedient.“ Und der Stummfilm „Der moderne Bankbetrieb” aus der gleichen Zeit zeigte eindrucksvoll, was diese neue Realität am Ende bedeuten kann. Ein Raum ist zu sehen in dem nur Maschinen arbeiten. Haben sie die Menschen vertrieben oder ihnen mehr Zeit für andere Arbeit oder gar für mehr Freizeit ermöglicht?
Devisenabteilung einer deutschen Großbank 1971
Beschleunigter Wandel
Ich sitze 1924 an meinem Büroschreibtisch, stehe auf und komme nach 50 Jahren wieder – und arbeite weiter. Das würde funktionieren! Auch wenn sich im Hintergrund einiges verändert hat, meine Ausstattung wäre noch annähernd gleich. Viel Papier, Stifte, Schreibmaschine – vielleicht schon elektrisch – und ein Telefon, immer noch schwer aus Bakelit. Zumindest bei den Herren ist die Arbeitskleidung mit Hemd und Krawatte (fast) noch verwendbar.
Aber ein weiterer 50-Jahre-Sprung in unsere heutige Zeit und nichts wäre mehr wie vorher. Seit spätestens den 1980er Jahren stehen Bildschirme auf den Schreibtischen und Faxgeräte für lange Zeit daneben. E-Mails ersetzen zehn Jahre später den Brief und nun leert sich der Schreibtisch und das Regal hinter mir, denn ich frage ab 1995 das Internet. Das Tempo wird immer rasanter. Und schließlich haben die Herren den Schlips abgelegt – im Homeoffice zumal.
Die derzeitige Beschleunigung lässt erwarten, dass schon in zehn Jahren manches Arbeitsmittel, das wir heute unverzichtbar finden, altmodisch ist oder nicht mehr benutzt wird.
Buchungsraum in einer Bank in Westberlin 1957
Arbeitskräftemangel – die Stunde der Frauen
Die Finanzbranche: einst eine reine Männerdomäne. In den Bankpalästen sieht man um 1900 wenig Frauen. Doch ein Wandel bahnt sich an. Schon bald werden manche Funktionen komplett von Frauen übernommen – Telefonistinnen zum Beispiel.
Zeitenwende Erster Weltkrieg: Mit dem plötzlich akuten Männermangel in vielen Ländern und der anschließenden Inflationszeit arbeiten mehr und mehr Frauen in Banken. Zunächst überwiegend als Hilfskräfte an den Büromaschinen, die im Zuge der zunehmenden Automatisierung eingesetzt werden. Doch auch in den Sekretariaten sind bald überwiegend Frauen im Einsatz und führen zunehmend anspruchsvolle und bankfachliche Tätigkeiten aus. Doch in der Weltwirtschaftskrise verlieren sie überproportional ihre Jobs.
Im Zweiten Weltkrieg wird die Berufstätigkeit aller Frauen – auch der verheirateten – forciert und wieder strömen mehr Frauen in die Büros. Arbeitskräftemangel in Krisenzeiten lässt Wirtschaft und Unternehmen die „Ressource weibliche Arbeitskraft“ heben, erst quantitativ, mit dem gesellschaftlichen Wandel in vielen Regionen zunehmend auch qualitativ.
Der Weg für Frauen in Führungspositionen war langwierig. In der Deutschen Bank schaffte es Hanne Prill 1971 als erste Frau in die Geschäftsleitung einer Hauptfiliale, im gleichen Jahr wurde Hannelore Winter in den Aufsichtsrat berufen. 1988 war Ruth Schneider-Lenné die erste Frau im Vorstand der Deutschen Bank.
Mehr zur Geschichte der Deutschen Bank
Bilder machen die Vergangenheit lebendig – dank unserer Archive ist das möglich: Das Historische Institut der Deutschen Bank setzt sich seit Jahrzehnten durch eigene und externe Forschung kritisch mit der Geschichte der Deutschen Bank auseinander. Zu diesem Zweck bewahrt es die historisch wichtigen Quellen auf.
Die Historische Gesellschaft der Deutschen Bank e.V. bringt seit 1991 die Geschichte des Bankwesens und seines politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Umfelds einem breiten Publikum näher.
Reinhard Frost
… ist fasziniert von den historischen „Datenspeichern“ in aller Welt, zu denen auch das Unternehmensarchiv der Deutschen Bank zählt, in dem er arbeitet. Zwar sind die Dokumente an sich unveränderlich, doch die Sicht auf die Artefakte wandelt und erweitert sich stetig und jede Zeit entlockt ihnen neue Erkenntnisse.
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Marc Schattenberg, Arbeitsmarktexperte bei Deutsche Bank Research, beleuchtet den Fachkräftemangel und die Folgen, wenn wir keine Arbeitsmigration zulassen.