Metaverse – wer's wirklich nutzt
Das Metaverse ist in aller Munde. Doch was geschieht dort genau, wer ist da unterwegs, welche Chancen und Risiken sind damit verbunden?
Reisen, virtuelle Treffen, ein Konzertbesuch: Das können sich Menschen vorstellen, in einem Metaversum zu tun. Doch wie viele haben das schon erlebt? Neun von zehn Konsumenten weltweit interessieren sich für das Thema, aber nur wenige sind tatsächlich in eine virtuelle Welt eingetaucht (Capgemini, 2022).
Umso bemerkenswerter ist es, dass es eine Vielzahl von virtuellen Welten gibt – konkret 154 waren es im zweiten Quartal dieses Jahres (Metaversed, 2023). Alle mit unterschiedlichen Funktionen und Umgebungen.
Die virtuellen Räume sind nicht nur unter Gamern bekannt, auch Unternehmen entwickeln dort ihre eigenen virtuellen Standorte. Doch wie werden diese Angebote genutzt? Wir haben bei Besuchern der Hannover Messe 2023 nachgefragt. Sehen Sie selbst.
Für diese Umfrage waren Benjamin Krug und Timo Bergold auf der Hannover Messe 2023 unterwegs.
Wer waren Vorboten?
Der Begriff „Metaverse“ wurde erstmals im Jahr 1992 im Science-Fiction-Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson als ein visueller 3D-Nachfolger des Internets erwähnt. Als die erste virtuelle Welt gilt das „Second Life“ aus dem Jahr 2003. Man erstellte sich einen Avatar und konnte mit anderen digital interagieren, Filme schauen, Spiele spielen, und Produkte, wie Kleidung, ein- und verkaufen. Weitere ähnliche Plattformen wurden danach entwickelt – wie zum Beispiel IMVU im Jahr 2004 oder Roblox im Jahr 2006 gefolgt von Minecraft im Jahr 2011.
Zehn Jahre später stieg das Interesse an virtuellen Welten in der Bevölkerung sprunghaft an. Auslöser war die Umbenennung der Firma Facebook in Meta und die Einführung ihrer eigenen Plattform Horizon Worlds.
Welche Welten machen das Rennen?
Second Life war seiner Zeit weit voraus und zieht heute noch 200.000 Menschen pro Tag an, soviel schafft Metas Horizon Worlds ungefähr pro Monat. Gaming-Plattformen werden allerdings nach wie vor am häufigsten besucht (We Are Social & Meltwater, 2023).
Fortnite führt die Liste mit mehr als 250 Millionen Spielern pro Monat an, gefolgt von Roblox, Minecraft und Axie Infinity. Im Vergleich dazu haben Plattformen wie Sandbox und Decentraland deutlich weniger Zulauf. Dort geht es darum, mit Kryptowährung zu handeln, beispielsweise sogenannte NFTs (nicht fungible Token) zu kaufen und verkaufen. Viele Unternehmen kaufen dort derzeit Grundstücke.
Absolut zuverlässige Nutzerzahlen gibt es aufgrund der vielfältigen Definitionen von Metaverse nicht, aber die vorhandenen lassen durchaus Trends erkennen.
In welchen Ländern sind Doppelleben am häufigsten?
Schwellenländer wie Indien, Peru und Mexiko lieben das Metaverse, wohingegen Industrieländer wie USA, Deutschland oder Niederlande die Alternativ-Welt mehr in Frage stellen. Weltweit wird Metaverse im Durchschnitt als positiv wahrgenommen, wobei es in China, Indien und Peru am beliebtesten ist. Kanada, Großbritannien und Japan sind am kritischsten.
Beispielsweise beschäftigt sich China stark mit den Chancen und Risiken von Metaverse. Schanghai plant bis Ende 2025 30 Sehenswürdigkeiten im Metaverse aufzubauen – als Teil der städtischen „Smart-Tourismus“-Strategie. Außerdem spielt die chinesische Regulatorik eine Rolle: Dort können Nutzende nicht mit NFTs handeln und die Verwendung von Kryptowährung ist verboten.
Weitere Nutzungsbeispiele sind die erste indische Hochzeit im Metaverse und Konzerte von US-amerikanischen Stars wie Travis Scott und Ariana Grande, die in Fortnite stattgefunden haben.
Privat oder beruflich?
Insgesamt 80 Prozent der Befragten aus der Studie von McKinsey & Company (2022), die im Metaverse unterwegs sind, genießen es virtuell Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen, gefolgt von virtuellen Arbeitsmeetings, Konzerten und Schulungen. Sie sind auch offen für weitere neue Angebote, beispielsweise im Metaverse einzukaufen, Sport zu treiben und Verabredungen nachzugehen.
Auch Unternehmen erkennen das Metaverse als eine neue Möglichkeit der Kundenansprache. Viele haben schon in die Entwicklung von Metaverse investiert und experimentieren dort, um Kunden sowie Mitarbeitende zu binden. Sie vermarkten sich dort, schulen Mitarbeitende, halten Meetings ab, veranstalten Konferenzen und entwickeln in der virtuellen Zusammenarbeit Produkte.
Im Metaverse sollen aus Sicht der Unternehmen verschiedene Aspekte des Lebens stattfinden – sowohl Arbeit als auch Freizeit.
Welche Branchen setzen aufs Metaverse?
Aus Unternehmenssicht wird Metaverse oft als „die Zukunft“, „eine neue Art Vertrieb zu machen“ und als „voll mit neuen Möglichkeiten“ wahrgenommen. Aus diesem Grund haben weltweit Unternehmen in seine Weiterentwicklung investiert – am häufigsten aus der IT-, Bildungs-, Finanz-, Marketing- und Gesundheitsbranche.
Laut Daten von McKinsey & Company wurden 2022 bereits mehr als 120 Milliarden US-Dollar in Metaversen investiert – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Dazu haben große Konzerne wie Epic Games, Unity, Meta, Microsoft, NVIDIA, Google und Qualcomm beigetragen. Durchschnittlich wird ein wirtschaftlicher Wertzuwachs der Metaversen von bis zu 8 Billionen US-Dollar bis zum Jahr 2030 prognostiziert.
Größter potenzieller wirtschaftlicher Treiber ist E-Commerce, denn das Metaverse soll das konventionelle Einkaufen in realen Geschäften mit dem Online-Handel verbinden. Prognosen zufolge wird diesem Bereich ein Marktanteil von bis zu 2,6 Billionen US-Dollar zugesprochen. Weitere potenzielle wirtschaftliche Treiber sind aus dem Gaming-, Gesundheits-, Arbeits- und Bildungssektor.
Was sind Risiken?
Metaverse wird oft mit seiner Offenheit, Interkonnektivität und rasanter technologischer Weiterentwicklung charakterisiert. Es bietet allerdings nicht nur Chancen, sondern auch Risiken.
Ein Briefing des Europäischen Parlamentarischen Forschungsdienstes (EPRS) nennt mögliche Risiken, vom Datenschutz, über Sicherheit in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise Finanztransaktionen, bis hin zu gesundheitlichen Gefahren insbesondere für Minderjährige sowie der Diskriminierung von Minderheiten. Wer 20 Minuten in der virtuellen Welt unterwegs ist, hinterlässt viele Daten, eine Schätzung geht von bis zu zwei Millionen „Datenpunkten“ aus. Diese lassen sich zu Geld machen – aber auch missbrauchen.
Anpassungen aktueller Vorschriften und die Verbesserung des Datenschutzes der gemeinsamen Datennutzung, der Blockchain-Regulierung und der Inhaltsmoderation werden diskutiert.
Tsvetina Tsonkova
…verfolgt die sich ständig entwickelnde Medienlandschaft. Sie will die Chancen kennen, die Folgen verstehen und um die Risiken wissen. Sie glaubt, dass das Metaverse Kreativität und Innovation fördert. Sie ist überzeugt, dass es unsere Art zu leben, zu arbeiten und in Kontakt zu sein verändern wird.
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