LuYang DOKU Heaven 2022

LuYang, DOKU Heaven, 2022, aus der Serie Bardo #1, © LuYang, courtesy the artist and Société, Berlin, Sammlung Deutsche Bank 

Vom Pinsel zum Pixel – wie das Metaverse die Kunst verändert

Die künstlerischen Visionen von Cao Fei und LuYang. Die beiden zeitgenössischen Künstler*innen teilen ihre Perspektiven auf das Metaverse und wie es die Welt der Kunst beeinflusst.

Das Internet als Plattform für den künstlerischen Ausdruck: Cao Fei und LuYang sind Pioniere der zeitgenössischen Kunst und setzen sich intensiv mit dem digitalen Sein auseinander. Ihre Faszination für Kunst im digitalen Raum treibt sie an, die sich ständig entwickelnden Möglichkeiten der Technik, der virtuellen Welten und der sogenannten immersiven Erfahrungen zu erkunden.

Sie tauchen in Spielkulturen und digitale Communities ein und erkunden, wie sich die digitale Welt auf uns Menschen auswirkt – auf unsere Identität, Vorstellungskraft und sozialen Interaktionen.

Deutsche Bank und zeitgenössische Kunst

Im Bereich der zeitgenössischen Kunst gelten Cao Fei und LuYang als Pioniere, wenn es darum geht, die Grenzen der kreativen Erkundung und Auseinandersetzung mit dem digitalen Zeitalter auszudehnen. Cao Feis Werke sind seit 2007 Teil der Sammlung Deutsche Bank. LuYang wurde 2022 von der Deutschen Bank zum „Künstler des Jahres“ gekürt.

Wie nutzen Sie als Künstler das Metaverse, um neue künstlerische Konzepte und Erzählungen zu entwickeln?

Cao Fei: Das Metaverse ist eine Welt, in der ich gelebt habe. Seit ich meinen digitalen Avatar China Tracy erschaffen habe, verfolge ich die Veränderungen und Entwicklungen des digitalen Raums in den vergangenen Jahrzehnten mit. Mein Ziel ist es nicht, diesen  virtuelle Umgebung zu nutzen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder einen Standpunkt zu beweisen. Vielmehr bin ich daran interessiert, den Raum selbst zu schaffen und Erfahrungen zu teilen.

Wie befasst sich Ihre Kunst mit potenziellen Fragen der Identität, Repräsentation und Vielfalt im Metaverse?

LuYang: Ich finde, dass es eine tolle Sache ist, eine virtuelle Identität zu haben; man kann die Vorteile wirklich spüren, wenn man zum Beispiel Online-Spiele spielt. Die Menschen können in der virtuellen Welt ihre bevorzugten Avatare und Identitäten wählen. Seit 2010 sind alle Figuren in meinen Werken geschlechtslos, das heißt, die Geschlechtsidentität muss in meiner Kunst nicht thematisiert werden. Diese grundsätzliche Voraussetzung ermöglicht es mir, die Werke zu schaffen, die ich liebe.

Cao Fei: Meine Arbeit ist eine Darstellung meiner Erfahrungen und Perspektiven. Ich habe keine Agenda, wenn ich diese Themen anspreche. Die Avatare in meinen Arbeiten – früher China Tracy und seit kurzem Oz – sind in ästhetischer Hinsicht sehr unterschiedlich. China Tracy ist eine aktive Entdeckerin mit einem optimistischen Wesen. Oz, eine geschlechtslose Mischung aus biologischem Körper und Maschine, verhält sich in der virtuellen Welt ruhiger und ist eher introspektiv. Ich finde, für mich als Künstlerin ist es wichtiger, Raum zu schaffen, als Schlussfolgerungen zu ziehen.

Seit 2010 sind alle Figuren in meinen Werken geschlechtslos, das heißt, die Geschlechtsidentität muss in meiner Kunst nicht thematisiert werden.
LuYang
Cao Fei avatar China Tracy RMB City The Fashions of China Tracy 2009

Cao Fei (SL avatar: China Tracy), RMB City: "The Fashions of China Tracy", 2009. Sammlung Deutsche Bank 
© Courtesy of the artist, Vitamin Creative Space and Sprüth Magers

Wie schaffen Sie den Spagat: Einerseits die Einzigartigkeit und Authentizität physischer Kunsterlebnisse zu bewahren und andererseits die enormen Möglichkeiten, die das Metaverse bietet, zu erkunden?

Cao Fei: Die Grenzen zwischen dem Physischen und dem Virtuellen verschwimmen zunehmend. Beide Welten sind miteinander verwoben. Anstatt sie als getrennte Einheiten zu betrachten, werden sie oft verbunden. Und genau das ermöglicht eine multidimensionale und gleichzeitig immersive Begegnung, bei der die Grenzen zwischen dem Realen und dem Virtuellen sich auflösen. Wie bei meiner Ausstellung "Duotopia" in Berlin bedeutet der Titel "duo" auf Mandarin "viele", da mehrere Räume und Erzählungen parallel existieren.

LuYang: Mein eigener kreativer Prozess wird nicht von externen Konzepten beeinflusst, und ich sehe das Metaverse nicht als Utopie. Die Erfahrungen im Metaverse basieren immer noch auf menschlichen Konzepten, und es würde wahrscheinlich ähnlich funktionieren wie die physische Welt. Im Metaverse können die Menschen jedoch ihre Wünsche und Bedürfnisse verstärken und vielleicht sogar eine weniger gehemmte Seite von sich selbst zum Vorschein bringen.

Die Grenzen zwischen dem Physischen und dem Virtuellen verschwimmen zunehmend.
Cao Fei
LuYang DOKU Animal 2022

DOKU Animal, 2022, From the series DOKU Six Realms of Reincarnation, light box
© LuYang, courtesy the artist and Société, Berlin

Wie kann das Metaverse eine Plattform für kollaborative und multidisziplinäre künstlerische Konzepte bieten?

Cao Fei: Ich arbeite seit langem mit digitalen Technologien und Medien und studiere sie, und die Zusammenarbeit hat sich von selbst ergeben. An dem virtuellen Stadtbauprojekt RMB City haben viele Freunde von mir mitgewirkt. Bei dem aktuellen Projekt Duotopia habe ich mit einer chinesischen Metaverse-Plattform zusammengearbeitet, um digitale architektonische und urbane Räume zu schaffen.

Glauben Sie, dass das Metaverse das Potenzial hat, die Kunstwelt zu demokratisieren und eine breitere Beteiligung an Kunst, einen offeneren Zugang zu ihr zu ermöglichen?

LuYang: Das Internet hat die Kunstwelt sicherlich demokratischer gemacht, und ich habe davon profitiert. Aber was das Metaverse betrifft, müssen wir vielleicht abwarten, bis sich dieses Konzept weiterentwickelt hat. Wie bei jeder neuen und aufregenden Sache gibt es immer eine Phase der Spekulation und des Hypes. Noch bevor das Konzept des Metaverses populär wurde, hatte ich bereits damit begonnen, Werke mit meiner eigenen digitalen Identität zu schaffen. Meine Werke schaffe ich nach meinen eigenen Vorstellungen – unabhängig davon, ob das Metaverse existiert oder nicht.

Dieses Interview wurde geführt von Yann Couronneaud.

Cao Fei (SL-Avatar: China Tracy), RMB City: A Second Life City Planning, 2007 © Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers, Vitamin Creative Space und Sprüth Magers

Cao Fei (SL avatar: China Tracy) - RMB City: A Second Life City Planning, 2007
© Courtesy of the artist, Vitamin Creative Space and Sprüth Magers

LuYang DOKU Heaven 2022

DOKU Heaven, 2022, From the series Bardo #1, Sammlung Deutsche Bank 
© LuYang, courtesy the artist and Société, Berlin

Über Cao Fei und LuYang

Cao Fei ist eine namhafte chinesische Künstlerin, die für ihre bahnbrechenden Arbeiten in den Bereichen Video, Installation und Neue Medien bekannt ist. Sie erforscht die Schnittmengen von Technologie, Gesellschaft und Identität und schafft immersive Erfahrungen, die konventionelle Realitäten in Frage stellen. Mit ihrem Projekt „RMB City“ begann sie bereits 2007 sie eine Metropole in der digitalen Plattform „Second Life“ aufzubauen, die sie als „eine Online-Kunstgemeinschaft in der virtuellen Welt“ beschreibt, und erlangte damit breite Aufmerksamkeit. Cao Fei hat weltweit ausgestellt, unter anderem auf der Biennale in Venedig und im Guggenheim Museum, New York.  Mit ihrem einzigartigen künstlerischen Ansatz, der stets die soziale und wirtschaftliche Komplexität Chinas reflektieren, gilt sie als eine führende Stimme in der zeitgenössischen Kunst. Cao Feis Werke sind seit 2007 Teil der Sammlung Deutsche Bank, und eine ganze Etage in der Frankfurter Zentrale ist ihrem künstlerischen Schaffen gewidmet.

LuYang ist ein bahnbrechender chinesischer Künstler, der für seine grenzüberschreitenden Arbeiten in den Bereichen Video, Performance und digitale Kunst bekannt ist. Sein künstlerisches Schaffen umfasst 3D-Animationsfilme, Videospielinstallationen, Hologramme, grafische Arbeiten und Virtual-Reality-Projekte. Indem er alte Traditionen mit modernster Technologie verbindet, erschafft er ein posthumanes Metaverse, in dem die Identitäten fließend sind. Lu Yangs fesselnde Kunstwerke regen zum Nachdenken über die menschliche Erfahrung der heutigen Welt an. Seine Arbeiten wurden weltweit ausgestellt, unter anderem auf der Biennale von Venedig und im Centre Pompidou in Paris. LuYang hat als „Künstler des Jahres“ der Deutschen Bank 2022 die Ausstellung „DOKU Experience Center“ gestaltet, die nach ihrer Premiere im PalaisPopulaire in Berlin diesen Herbst in Mailand zu sehen sein wird.

Yann Couronneaud

Yann Couronneaud

... ist seit 15 Jahren Leiter der Abteilung Kommunikation und CSR der Deutschen Bank in Frankreich. Er ist zutiefst fasziniert vom Metaverse und brennt darauf, dessen transformatives Potenzial zu erforschen, ohne dabei seine eigene objektive Haltung aufzugeben und sich ein endgültiges Urteil über dessen Auswirkungen zu erlauben.

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