Wie Manchester United im Metaverse Geld verdienen könnte
Das Metaverse kann unser Leben verändern, birgt aber auch Risiken. Sabih Behzad, Leiter des Bereichs für digitale Vermögenswerte & Währungen bei der Deutschen Bank, erklärt, wie Datenschutz dort funktioniert und ein Fußballverein Geld verdienen kann.
Die Aufgabe ist denkbar schwierig: Bewerte ein neues digitales Universum – das Metaverse. Wird es das Online-Einkaufen revolutionieren oder sich als bloßer Hype entpuppen? Sabih Behzad und seine Kolleg*innen begannen zunächst mit einer Definition des Metaverse. Für sie beschreibt der Begriff virtuelle 3D-Welten, die „die reale Welt nachahmen“. Nutzende können dabei mit Virtual-Reality-Headsets (VR) in die verschiedenen virtuellen Welten eintauchen und sich dort als Avatar fortbewegen.
Im Gegensatz zu anderen Fachleuten glauben Behzad und seine Kolleg*innen, dass es nicht nur eine virtuelle Welt geben wird. Sie gehen vielmehr davon aus, dass mehrere Metaverse-Ökosysteme entstehen werden, zwischen denen Nutzende wechseln können.
Das wirtschaftliche Potenzial des Metaverse ist groß. Behzad und seine Kolleg*innen schätzen, dass im Metaverse allein der Markt für E-Commerce im Einzelhandel bis 2030 zwei Billionen US-Dollar ausmachen könnte. Das entspricht etwa 20 Prozent des gesamten E-Commerce im Einzelhandel. Andere Branchen wie Spiele und Immobilien sind da noch gar nicht berücksichtigt. Zum Tauschen und Kaufen von Gütern könnten im Metaverse sogenannte nicht-fungible Tokens (kurz: NFT) zum Einsatz kommen. Diese Token funktionieren im Prinzip wie digitale Wertmarken, die anzeigen, wer der Besitzer eines Objekts ist.
So vielversprechend manche Anwendungsfälle auch klingen mögen: Die technischen Hürden sind groß, und auch datenschutzrechtlich stellen sich einige Fragen. Insbesondere da die neuesten VR-Headsets Berichten zufolge Reaktionen, Emotionen und Gesten aufzeichnen können.
Darüber haben wir mit Sabih Behzad gesprochen. Er erklärt, wie der Konzern Meta auf seiner Virtual Reality Plattform „Horizon“ für digitale Sicherheit sorgen will. Und er verrät, warum er glaubt, dass das Metaverse eine Veränderung wie das World Wide Web sein wird.
Sabih, bevor wir über Details sprechen: Warum sollte eine Privatperson das Metaverse nutzen?
Heute treffen sich vor allem „Gamer” im Metaverse, um online Computerspiele zu spielen. Die Technologie ermöglicht aber letztendlich eine ganz neue Erfahrung: Wir nennen das „immersiv”, was bedeutet, dass man etwas mit mehreren Sinnen erleben kann, ohne physisch vor Ort zu sein. Im Metaverse kann man die Welt bereisen, ohne sein Wohnzimmer zu verlassen, oder sogar in Welten eintauchen, die andere Epochen nachahmen, wie zum Beispiel das Römische Reich.
Man kann die Welt bereisen, ohne sein Wohnzimmer zu verlassen, oder sogar in Welten eintauchen, die andere Epochen nachahmen...
Aber ist das wirklich besser als in der realen Welt mit Freunden in ein Fußballstadion zu gehen?
Es ist anders. Momentan hat man die Wahl, ob man ins Stadion geht oder sich das Spiel im Fernsehen ansieht. Im Stadion hat man die Atmosphäre, im Fernsehen einen Kommentator, Wiederholungen und muss nicht reisen. Das Metaverse böte eine Mischung: Du bleibst zuhause, bekommst aber trotzdem eine stadionähnliche Atmosphäre. Das wäre für Zuschauer aus der ganzen Welt interessant. Ich bin zum Beispiel Fan von Manchester United, lebe aber in London – und würde gerne mal ein Spiel im Metaverse sehen.
Und Manchester United könnte so mehr Eintrittskarten verkaufen.
Langfristig vielleicht, aber zunächst wären Spiele im Metaverse kostenlos. Die Technologie muss sich erst entwickeln. Aber wenn ich zehn Spiele im Metaverse gesehen habe, könnte mir mein Klub einen Rabatt für das reale Stadion geben. Oder einen nicht-fungiblen Token (NFT), der es mir erlaubt, einen Spieler zu treffen. Zusätzliche Übertragungsmöglichkeiten wie das Metaverse sind für die großen europäischen Vereine interessant, weil sie ihre Fans auf der ganzen Welt besser an sich binden können.
Außer Sport: Welche anderen Szenarien finden Sie faszinierend?
Mode-Marken richten Läden im Metaverse ein: Künftig könnte ein Händler einen Kunden, der mit seinem Avatar häufig das virtuelle Geschäft besucht, mit einem nicht-fungiblen Token (NFT) belohnen. Der NFT erlaubt dem Kunden-Avatar, ein limitiertes T-Shirt zu tragen. Der Kunde könnte das T-Shirt auch in der realen Welt bekommen. Das T-Shirt wäre mit einem Chip ausgestattet, und der Händler könnte Bewegungsdaten des Kunden und seines Avatars erfassen und ihn weiter belohnen.
Mode-Marken richten Läden im Metaverse ein.
Wow, Datenschützer würden das sicher kritisch sehen. Wer könnte das wollen?
Influencer vielleicht. Am wichtigsten ist, dass jeder selbst entscheiden kann, welche Daten er teilen möchte und welche nicht. Ich glaube, dass es hier – basierend auf der Distributed Ledger Technology – Lösungen geben wird, die die digitale Identität schützen. Mit diesen Lösungen kann ein Nutzer bestimmen, welche persönlichen Daten er mit wem teilt. Hier gibt es interessante Konzepte, die aber noch nicht ausgereift sind.
Ich glaube, dass es Lösungen geben wird, die die digitale Identität schützen.
Das ist im Metaverse. Aber was ist mit den Daten, die die VR-Headsets aufzeichnen, die man für das Metaverse braucht?
Es gibt Berichte darüber, dass diese Geräte Reaktionen, Emotionen und Gesten messen – und in die Algorithmen des Konzerns einspeisen, dem die virtuelle Welt gehört. Wir brauchen also einen Industriestandard, bei dem sich die großen Anbieter auf Regeln verpflichten. Natürlich wird das nicht jeden zufriedenstellen. Da die Einstellung zum Datenschutz regional unterschiedlich ist, gehe ich davon aus, dass auch das Metaverse weltweit unterschiedlich schnell angenommen wird.
…und dann muss das Metaverse noch sicher sein und Nutzer vor Kriminellen schützen.
Das ist unerlässlich. Der Konzern Meta hat dafür einen interessanten Ansatz: Meta hat eine „Safe Zone” in seine Virtual Reality Plattform „Horizon” gebaut. Die „Safe Zone” ist eine schützende Blase, die Benutzer aktivieren können, wenn sie sich verletzlich fühlen. So kann niemand mit ihnen sprechen oder mit ihnen interagieren. Das Metaverse sicher zu machen, ist aber nicht nur für die Anbieter der virtuellen Welten wichtig. Auch Banken können dabei eine entscheidende Rolle spielen.
Wie das?
Irgendwann werden Unternehmen verlangen, dass Nutzer sich im Metaverse identifizieren – zum Beispiel wenn sie in virtuellen Welten bestimmte Produkte kaufen, auf Partys oder Konzerte wollen oder dort Autofahren. Banken sind vertrauenswürdige Institutionen in der physischen Welt und könnten auch auf die digitale Identität eines Nutzers im Metaverse aufpassen. Da im Metaverse die physische und virtuelle Welt immer mehr verschmelzen, könnte so ein Dienst sehr gefragt sein.
Banken sind vertrauenswürdige Institutionen in der physischen Welt und könnten auch auf die digitale Identität eines Nutzers im Metaverse aufpassen.
An was denken Sie noch?
Es kann sein, dass man sich künftig identifizieren muss, wenn man von einer virtuellen Welt in eine andere wechseln möchte. Und einer muss sicherstellen, dass nur vertrauenswürdige Personen eine virtuelle Welt betreten. Darüber hinaus könnten Banken die Zahlungsinfrastruktur für virtuelle Welten aufbauen, Kryptowährungen in traditionelle Währungen umtauschen und Kredit- und Finanzierungslösungen für Unternehmen entwickeln, die im Metaverse erfolgreich sein wollen.
Das sind viele Möglichkeiten. Was fehlt noch, damit das Metaverse erfolgreich wird?
Ein paar Dinge: Die Eigentumsrechte für digitale Objekte müssen geregelt werden, damit jeder weiß, wem ein digitales Objekt gehört. Auch der Datenschutz sowie die digitale Sicherheit müssen gewährleistet sein. Dann braucht es enorme Investitionen, und die Technologie muss besser werden: Das gilt für die VR-Headsets und die virtuellen Welten selbst. Wenn das alles kommt, wird das Metaverse die Welt verändern – ähnlich wie das World Wide Web.
Über Sabih Behzad
Sabih Behzad leitet den Bereich für digitale Vermögenswerte & Währungen bei der Deutschen Bank und sucht mit den verschiedenen Geschäftsbereichen nach Anwendungsfällen. Behzad hat einen sehr vielseitigen Hintergrund: Er ist Diplom-Ingenieur mit einem ersten Abschluss in Computer Systems Engineering und hat mehrere Jahre im Bereich Technologieberatung gearbeitet.
Nach seinem MBA-Abschluss an der London Business School hat er im Bereich Fusionen & Übernahmen bei Lehman Brothers, Nomura und der Deutschen Bank gearbeitet. Bei der Deutschen Bank hatte er leitende Funktionen in den Bereichen Strategie, Geschäftsentwicklung und KYC. Kurz gesagt, eine Mischung aus Technologie, Strategie und Finanzen.
Obwohl es noch früh ist, glaubt er, dass das Metaverse und die damit verbundenen Web 3-Anwendungen die nächste Iteration des Internets sind. Es könnte den E-commerce revolutionieren, jeden zum Eigentümer digitaler Inhalte machen und den Nutzern viel mehr Macht geben. Für ihn ist es aufregend, Teil eines solch radikalen Wandels zu sein.
Georg Berger
… arbeitet in der Kommunikationsabteilung an Digitalthemen. Ihn interessiert, welche konkreten Anwendungsmöglichkeiten heute schon im Metaverse genutzt werden – und wie sich die Technologie weiterentwickelt.
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