Nachricht 27. Januar 2023

Sechzehn Objekte – siebzig Jahre Yad Vashem

Es sind Herzensdinge aus dem Abgrund der Shoa: 16 Gegenstände, die gemeinsam mit ihren Besitzern und Besitzerinnen einst aus Deutschland fortgerissen wurden. „Sechzehn Objekte – siebzig Jahre Yad Vashem“ heißt eine Ausstellung, die seit Dienstag im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages in Berlin zu sehen ist.

Dazu gehört zum Beispiel die Kinder-Puppe „Inge“ von Lore Mayerfeld (geborene Stern). Als kleines Mädchen musste Lore aus ihrer Geburtsstadt Kassel vor den Nazis fliehen und nahm Inge mit, ein Geschenk ihrer Großmutter. Mit dem letzten Schiff konnten Lore und ihre Mutter 1941 über Portugal in die USA flüchten. Lore zog später ihrer Puppe jenen Schlafanzug an, den sie selbst in der Nacht des Novemberpogroms 1938 getragen hatte.

Christian Sewing und Lore Mayerfeld mit ihrer Puppe namens Inge

Die Emigrantin lebt seit 1991 in Israel und gehört zu den wenigen noch lebenden Zeitzeugen des Holocaust. Umso wichtiger ist das stete Erinnern an dieses Verbrechen, wie es auch am diesjährigen 27. Januar geschieht, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.

Christian Sewing hat Lore Mayerfeld am Montag im Paul-Löbe-Haus getroffen. Zusammen mit ihr besuchte er einen Tag vor der offiziellen Eröffnung die Ausstellung.

Dani Dayan, Vorsitzender der Internationalen Holocaust Gedenkstätte; Lore Mayerfeld; Christian Sewing; Ruth Ur, Geschäftsführerin des Freundeskreises Yad Vashem e. V. und Kuratorin der AusstellungDani Dayan, Vorsitzender der Internationalen Holocaust Gedenkstätte; Lore Mayerfeld; Christian Sewing; Ruth Ur, Geschäftsführerin des Freundeskreises Yad Vashem e. V. und Kuratorin der AusstellungIm Rückblick auf seinen Besuch sagte Sewing: „Das in Deutschland begangene Unrecht dürfen und werden wir nie vergessen. Deshalb unterstützen wir die so wichtige Arbeit von Yad Vashem, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten. Das Schicksal von Millionen Opfern mahnt uns, jeden Tag aufs Neue aktiv für Vielfalt und Toleranz in unserem eigenen Handeln und in unserem Umfeld einzutreten.“

Die Deutsche Bank unterstützt seit 2019 den Ausbau der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Im neuen „Haus der Erinnerungen“ werden auch die jetzt in Deutschland gezeigten 16 Objekte ihren Platz finden. Gemeinsam mit der Deutschen Bahn, Borussia Dortmund, Mercedes-Benz und Volkswagen fördert die Deutsche Bank als Mitglied des Freundeskreises von Yad Vashem die Erinnerungskultur.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnete die Ausstellung „Sechzehn Objekte – siebzig Jahre Yad Vashem“. Unter den 300 geladenen Gäste waren Dani Dayan, Vorsitzender der Internationalen Holocaust Gedenkstätte, der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, Bundesfinanzminister Christian Lindner und Kai Diekmann, Vorsitzender des Freundeskreises Yad Vashem. Für die Deutsche Bank nahm Harald Eisenach an der Eröffnung teil, Sprecher der regionalen Geschäftsleitung und Leiter der Unternehmensbank Ost.

Die ersten Besucher erlebten, wie berührend die Zusammenstellung von an sich schlichten Alltagsgegenständen ist, die die Opfer der Shoa auf ihrem Flucht- und Leidensweg begleitet haben. Denn aus den Objekten spricht nicht nur eine jeweils ganz konkrete Lebensgeschichte, die in der Ausstellung beschrieben ist. Sie stehen für die unzähligen Leben, die der Nationalsozialismus zerstört hat.

Die Kuratierenden haben bewusst ein Erinnerungsstück pro Bundesland gewählt. So gibt es neben der Kinder-Puppe „Inge“ aus Kassel auch eine Miniatur-Keramikküche aus Stuttgart, ein Poesie-Album aus Saarbrücken oder den Chanukka-Leuchter einer Familie aus Kiel. Und selbst zunächst profane Gegenstände, etwa das Stethoskop eines Berliner Arztes oder der Reisekoffer einer Dame aus Bremen, erzählen vom unmenschlichen Schicksal ihrer früheren Eigentümer.

Weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie in diesem Prospekt des Deutschen Bundestages.

Wer die Ausstellung im Sicherheitsbereich des Berliner Paul-Löbe-Haus besuchen möchte, muss sich vorher anmelden. Nähere Informationen gibt es auch auf der Webseite des Deutschen Bundestages. Interessierte müssen allerdings nicht unbedingt nach Berlin fahren: Nach der ersten Station in der Hauptstadt wird „Sechzehn Objekte – siebzig Jahre Yad Vashem“ vom 5. März bis 10. April auch in den Räumen der Stiftung Zollverein in Essen zu sehen sein.

Diese Ausstellung ist auch deshalb etwas Besonderes, weil die Internationale Holocaust-Gedenkstätte dafür erstmals überhaupt Artefakte aus ihrem Bestand nach Deutschland verlieh – dem Land, das den Abgrund zur Shoa aufgerissen hatte.

Die Deutsche Bank und der Nationalsozialismus – einige Fakten

  • Die Deutsche Bank war das erste Finanzinstitut, das seine Geschichte in der NS-Zeit eingehend und vorbehaltlos von unabhängigen Historikern untersuchen ließ.
  • Die Deutsche Bank gehörte zu den 13 deutschen Unternehmen, die 1999 der Bundesregierung die Stiftungsinitiative „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. Die Stiftung entstand im Jahr darauf. Für Zwangsarbeiter und andere Opfer des NS-Regimes stellten die Bundesregierung und die Wirtschaft zusammen fünf Milliarden Euro bereit.
  • Im Bankwesen haben vor 1933 Mitarbeitende christlichen und jüdischen Glaubens eng zusammengearbeitet. Einer der Gründer der Bank, Ludwig Bamberger, und eines ihrer ersten Vorstandsmitglieder, Paul Wallich, waren jüdischen Glaubens. Außerdem drei der sechs Vorstandssprecher vor 1933, nämlich Paul Mankiewicz, Oscar Wassermann und Georg Solmssen.
  • Zur Erinnerung an ihre verfolgten jüdischen Angestellten recherchiert die Deutsche Bank die Einzelschicksale und veröffentlicht sie seit 2021 schrittweise auf der Webseite der Historischen Gesellschaft e.V. Dies soll möglichst vielen Menschen aus jener Zeit ein Gesicht geben.

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