Kapitalmarktausblick 2019: zwischen Wachstum und Unsicherheiten
Vor allem politische Belastungsfaktoren dürften zu noch größeren Schwankungen an den Kapitalmärkten führen
Solide Unternehmensgewinne und günstige Bewertungen könnten dennoch ein gutes Umfeld für moderat steigende Aktienkurse bieten
Technologie als größter Sektor weltweit sollte entscheidend für die Marktentwicklung sein
Eine Welt, in der viele der großen Volkswirtschaften den Höhepunkt des Wachstums überschritten haben, sowie eine tendenziell weiter zunehmende Verunsicherung – damit rechnen die Kapitalmarktexperten der Deutschen Bank in ihrem Kapitalmarktausblick 2019, der heute in Frankfurt vorgestellt wurde. Während sich die konjunkturelle Dynamik im kommenden Jahr in der Eurozone, aber auch in vielen Schwellenländern abschwächen dürfte, reagieren die Märkte vor allem auf politische Belastungsfaktoren sensibel.
„In Europa begleiten uns weiterhin der Haushaltskonflikt mit Italien und die Sorgen vor einem ungeregelten Brexit“, sagte Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland bei Deutsche Bank Research. Bevor die Tinte unter einem Austrittsvertrag zwischen Großbritannien und der Europäischen Union nicht trocken sei, werde es kaum zu einer nachhaltigen Entspannung kommen. Zudem klammere sich Italien an einen nach EU-Regularien unzulässigen Haushalt. Das bedrohe das Rating des Landes und damit die Stabilität der gesamten Eurozone. „Italien bleibt ein ernstes Problem und hält die europäischen Anleihemärkte weiter in Atem“, stellte Schneider fest.
Hinzu komme der globale Handelsstreit insbesondere zwischen den USA und China. „Aus diesem Handelskonflikt kann zunehmend ein Kampf um wirtschaftliche und technologische Marktführerschaft werden. Es geht im Kern darum, wer die Standards setzt“, erklärte Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank. Noch bestehe allerdings die Hoffnung, dass es bei einem geplanten Treffen am 29. November 2018 vor dem G-20-Gipfel in Buenos Aires zu einer Annäherung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping kommen könnte. Ein globaler Konjunkturrückgang sei trotz der Herausforderungen nicht zu erwarten.
Für 2019 rechnet Schneider mit einem leichten Anstieg der Inflation. Das dürfte die Notenbanken – allen voran die US-amerikanische Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) – dazu veranlassen, ihre expansive Geldpolitik weiter zu straffen. Höhere Zinsen wären die Folge.
Konjunktur – keine Rezession in Sicht
Während die US-Konjunktur weiter unter Volldampf steht, dürften sich die Wachstumsraten 2019 in den meisten anderen bedeutenden Wirtschaftsregionen im Vergleich zu diesem Jahr abschwächen. „Wir sind weniger skeptisch als der Markt. Eine Rezession steht der Welt im kommenden Jahr nicht bevor“, sagte Stephan. Er rechne mit einem Weltwirtschaftswachstum von 3,8 Prozent. Der seit 2009 laufende Zyklus dauere damit rund zehn Jahre an.
Europa: solides Wachstum
Trotz politischer Herausforderungen wird die Wirtschaft der Eurozone nach Einschätzung der Deutschen Bank ihren Wachstumstrend im nächsten Jahr grundsätzlich beibehalten. Der Gesamt-Einkaufsmanagerindex ist zuletzt zwar deutlich gesunken. Mit einem Wert oberhalb der 50-Punkte-Marke deutet er jedoch auf weiteres Wachstum hin. Die erwartete leichte Straffung der Geldpolitik in der Eurozone, etwa in Form der geplanten Beendigung des Anleihekaufprogramms im Januar 2019, dürfte daher weiterhin gerechtfertigt sein und sollte die konjunkturelle Dynamik nicht beenden.
„Das bisher sehr umsichtige Handeln der EZB lässt hoffen, dass ihre für Spätsommer 2019 erwartete Anhebung des Einlagezinssatzes für Banken ohne größere negative Folgen für das Kreditwachstum in der Eurozone bleiben wird“, sagte Stephan. Für Deutschland rechnet die Deutsche Bank 2019 mit einem Konjunkturplus von 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, für die Eurozone sind es 1,7 Prozent.
USA: anhaltend hohe Dynamik
Der Ausblick für die Wirtschaft der USA bleibt positiv. Mit 2,8 Prozent sollte sie 2019 ähnlich stark wachsen wie im laufenden Jahr. „Haupttreiber sind die Auswirkungen der US-Steuerreform und höhere Staatsausgaben“, erklärte Schneider. Hohe private Konsumausgaben und insgesamt solide Investitionen stützten den Trend. Belastend für die Konjunktur könnten sich dagegen mögliche restriktivere Finanzkonditionen auswirken. „Wir gehen davon aus, dass die Fed bis zum Jahresende 2019 die Zinsen fünfmal anhebt und der Leitzins dann bei 3,25 bis 3,5 Prozent liegen wird“, so Schneider.
Währungen – die Suche nach dem „sicheren Hafen“
An den globalen Kapitalmärkten hält sich zwar hartnäckig die Dominanz des US-Dollar. Doch das Zwillingsdefizit (Summe aus Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit) der Vereinigten Staaten könnte den „Greenback“ zukünftig belasten. Für einen steigenden Euro müssten zunächst alle Zweifel am Fortbestand der europäischen Währungsunion ausgeräumt werden. Solange die politischen Risiken in Europa bestehen, sollte der Euro unter Druck bleiben.
Stärke wäre ihm nur bei Fortschritten in Themen wie Brexit und der italienischen Haushaltsdebatte zuzutrauen. „Zum Jahresende 2019 rechne ich mit einem EUR/USD-Wechselkurs von 1,15“, sagte Stephan. Der chinesische Renminbi leide unter dem Handelsstreit und der Reduktion des Leistungsbilanzüberschusses. Im Jahr 2019 sei daher mit einer Renminbischwäche zu rechnen.
Anlageklassen, Regionen und Branchen
Anleihen – geschenkt ist noch zu teuer
Für Rentenanleger dürfte sich die Situation im kommenden Jahr kaum verbessern. Im Gegenteil: In den USA und der Eurozone ist im Zuge einer insgesamt positiven Konjunkturentwicklung mit weiter steigenden Anleihezinsen zu rechnen. Bis zum September 2019 sollte sich auch das Zinsniveau von US-Staatsanleihen daher über alle Laufzeiten hinweg weiter nach oben bewegen.
Erst danach dürfte es aufgrund der sich anbahnenden konjunkturellen Wachstumsverlangsamung zum Jahresende wieder leicht fallen. „Nicht nur in den USA, sondern auch in der Eurozone erwarte ich steigende Kapitalmarktzinsen“, sagte Stephan. Zehnjährige Bundesanleihen sollten bis zum Jahresende allmählich auf etwas mehr als 1,0 Prozent zulegen. Damit sei an den Rentenmärkten der Eurozone 2019 kaum Geld zu verdienen.
„Das Umfeld bleibt schwierig. Rendite bei Anleihen ist nach wie vor nur mit Risiko zu erzielen“, sagte Stephan. Schwellenländer zum Beispiel böten zwar weiterhin vergleichsweise hohe Zinsen, seien jedoch insbesondere anfällig für Währungsschwankungen. „Wenn die Fed ihre Zinsen erhöht, werden die Anleihen vieler Schwellenländer weiter unter Druck stehen – insbesondere solche in Lokalwährungen“, so Stephan. Im Portfoliokontext spielen Renten zur Diversifikation und Steuerung des Gesamtrisikos dennoch eine wichtige Rolle. Bevorzugt sind hierzu Anleihen mit niedriger Laufzeit oder variabler Verzinsung.
Aktien – gut in den USA, günstig in Europa, gut und günstig in Asien
Am Aktienmarkt nahm die Nervosität der Anleger im Jahr 2018 zu. Denn trotz insgesamt guter Unternehmenszahlen ging es mit den Kursen zeitweise deutlich abwärts. Nach fast zehn Jahren tendenziell steigender Notierungen reagieren Marktteilnehmer sensibler – vor allem auf politische Nachrichten. „Wir sehen für das Jahr 2019 trotz Unsicherheiten weiteres Kurspotenzial für Aktien. Anleger könnten in Erwägung ziehen, die durch die Kursverluste im zweiten Halbjahr 2018 gesunkenen Bewertungen als Einstiegsmöglichkeit zu nutzen“, sagte Stephan.
Ausschlaggebend dafür seien die robusten Gewinnerwartungen der Unternehmen sowie das interessante Bewertungsniveau. Anleger sollten sich aufgrund der zunehmenden Marktnervosität jedoch auf anhaltende Kursschwankungen einstellen, ihre Portfolios regelmäßig überprüfen und aktiv steuern. Bei langfristigem Anlagehorizont sei es dabei wichtig, sich nicht von kurzfristigen Marktereignissen verunsichern zu lassen.
USA: gute Unternehmensaussichten
Amerikanische Unternehmen dürften weiterhin von der Stärke der US-Wirtschaft und den Fiskalmaßnahmen der Trump-Regierung profitieren. „US-Unternehmen erzielen den überwiegenden Teil ihrer Umsätze auf dem Heimatmarkt. Da wirkt sich ein florierender Binnenkonsum positiv auf die Konzernergebnisse aus“, sagte Stephan. Für 2019 rechnet er mit einem soliden Gewinnwachstum von bis zu 10 Prozent. Ein weiterer wichtiger Aktienmarkttreiber seien Aktienrückkäufe, die in den USA eine deutlich größere Rolle spielten als beispielsweise in Europa. Diese sogenannten Buy-backs stützen die Kurse.
Für das kommende Jahr könnte mit einem Rückkaufvolumen von insgesamt rund 1 Billion US-Dollar ein neues Rekordergebnis erreicht werden. „US-Aktien bleiben damit interessant, obwohl sie im internationalen Vergleich nicht ganz günstig sind“, fasste Stephan zusammen. Für entsprechend risikobereite Anleger könnten in den USA beispielsweise der Rohstoff-, Industrie- und Finanzsektor interessant sein. Diese sind niedriger bewertet als der Gesamtmarkt und weisen gleichzeitig hohe Gewinnerwartungen auf.
Europa: günstige Bewertungen
In Europa machen vor allem die Bewertungen Aktien für Anleger interessant. „Europäische Aktien sind derzeit besonders günstig“, sagte Stephan. Sobald sich die Situation etwa beim Brexit oder im Italienkonflikt entspanne, könnten Anleger wieder Vertrauen fassen und am Markt zugreifen. „Ausgewählte Aktien aus Europa gehören für mich auch 2019 ins Portfolio“, stellte Stephan klar. Das umfasse auch den deutschen Aktienmarkt.
Ein starker Fokus auf den DAX empfehle sich jedoch nicht: „Der deutsche Leitindex reagiert aufgrund seiner zyklischen Ausrichtung und seines hohen Anteils an Autotiteln sehr sensibel auf konjunkturelle Entwicklungen. Zudem umfasst er nur 30 Werte. Das macht ihn schwankungsanfällig“, erklärte Stephan. In Europa scheinen vor allem Aktien aus den Sektoren Grundstoffe, Bauindustrie und Werkstoffe, Finanzdienstleistungen sowie Öl und Gas interessant. Grundsätzlich stehen sogenannte Value-Titel, also niedrig bewertete Unternehmen, im Fokus.
Asien: gute und günstige Aktienmärkte
An den asiatischen Aktienmärkten sorgt vor allem der Handelsstreit zwischen China und den USA für schlechte Stimmung und hat die Kurse fallen lassen. Allerdings sei die Stimmung schlechter als die Faktenlage: „Insgesamt hohe Gewinnerwartungen und vergleichsweise niedrige Bewertungen könnten die Aktienkurse in den asiatischen Schwellenländern 2019 steigen lassen und die Region damit für Anleger interessant machen“, sagte Stephan.
Vieles hänge dabei von der wirtschaftlichen Entwicklung in China ab, die er grundsätzlich positiv sieht: „Die geldpolitischen und fiskalischen Stimuli der Regierung dürften das Wachstum und damit die Kapitalmärkte weiter stabilisieren. Wir erwarten für das kommende Jahr ein solides Konjunkturplus in China von 6,3 Prozent. Das sollte auf die gesamte Region positiv abstrahlen.“ Während die Industrieunternehmen der „Old Economy“ dort in den Hintergrund rückten, entstünden neue Branchenriesen mit entsprechenden Wachstumspotenzialen in aussichtsreichen Technologiezweigen. Chancen sieht Stephan eher in Nord- als in Südasien. Seine regionalen Favoriten sind China, Korea und Japan.
Sektoren – Technologie bestimmt den Trend und die Performance der Märkte
Neben der regionalen Auswahl sollten Anleger 2019 besonderes Augenmerk auf die Sektorunterschiede legen. Der Techsektor etwa hat über die vergangenen Jahre stark an Bedeutung zugelegt. So machen Technologieunternehmen an den Aktienmärkten in den USA und Asien nach klassischer Definition bereits 25 bis 35 Prozent der Marktkapitalisierung aus.
„Tech hat mittlerweile nur noch wenig mit dem spekulativen Neuen Markt von vor 20 Jahren gemeinsam: Die Unternehmen erzielen heute hohe Margen und Gewinne. Nach zehn Jahren Aufschwung bestimmt Technologie den Trend in der Wirtschaft und an den Märkten. Die Techwerte sollten sich insgesamt aber nicht mehr so viel besser entwickeln als der Gesamtmarkt“, erläuterte Stephan.
Auch die Vielfalt der Unternehmen innerhalb der Branche hat sich vergrößert. Die führenden Indexanbieter Standard & Poor‘s und MSCI passten daraufhin im vergangenen September sogar ihre Klassifikation der Sektoren an. Techfirmen finden sich nun in den Bereichen Technologie (zum Beispiel Hardwarehersteller), zyklischer Konsum (Onlinehändler) und im neu geschaffenen Sektor der Kommunikationsdienstleister (Unternehmen aus den Bereichen Unterhaltung und Softwaredienstleistungen).
„Tech ist nicht gleich Tech. Es muss künftig viel detaillierter über Technologiewerte diskutiert werden, und Anleger müssen noch genauer auf die einzelnen Geschäftsmodelle schauen“, forderte Stephan. Viele Techkonzerne seien hoch diversifiziert und beispielsweise in den Bereichen Onlinehandel, Cloud-Computing und künstliche Intelligenz gleichzeitig aktiv. „Das ökonomische Potenzial von Innovationen in diesen Bereichen ist groß. Es wird aber eher Jahre statt Monate dauern, bis es in der Realwirtschaft ankommt“, so Stephan.
Immobilien – Boom ist nicht gleich Blase
Knapper Wohnraum, Kapazitätsauslastung in der Bauindustrie, moderate Hypothekenverschuldung: Das viel diskutierte Platzen einer vermeintlichen Immobilienblase in Deutschland ist aus Sicht der Deutschen Bank auch im kommenden Jahr nicht zu erwarten. „Die durchschnittlichen Preise für Wohnimmobilien werden hierzulande weiter steigen. Der preisliche Aufschwung basiert bisher nicht auf einer Ausweitung der Kredite, denn das Verhältnis von Haushaltsverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt ist in Deutschland in den letzten Jahren nahezu unverändert“, sagte Stephan. Jedoch dürfte dieser Anstieg nicht bundesweit zu beobachten sein.
„Es sind insbesondere die Ballungsräume und großen Metropolregionen, in denen nach wie vor zu wenig gebaut wird, um die hohe Nachfrage zu befriedigen. Das stützt die Preise“, erläuterte Stephan. Renditepotenzial sei aufgrund der soliden konjunkturellen Lage auch bei Gewerbeimmobilien zu erwarten. Für Berlin beispielsweise rechnet die Deutsche Bank bis 2022 im Schnitt mit Mietsteigerungen von in Summe mehr als 20 Prozent.
Diese Aussichten für Deutschland stünden allerdings im Gegensatz zu einzelnen ausländischen Immobilienmärkten wie Australien oder Kanada, die bereits Anzeichen einer Überhitzung zeigten. Trotzdem sollten sich insgesamt breit gestreute globale Immobilieninvestments lohnen.
Rohstoffe – hohe Schwankungen, geringes Anlagepotenzial
Obwohl Erdöl und Industriemetalle für die wirtschaftliche Entwicklung der Welt gleichermaßen unabdingbar sind, werden ihre Notierungen von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. „Während der Erdölmarkt stärker von der Nachfrage aus den Industrieländern abhängt, orientieren sich die Preise von Kupfer, Aluminium und Co. hauptsächlich am Verbrauch in den Schwellenländern, insbesondere in China“, erklärte Stephan. Aufgrund der erwarteten soliden konjunkturellen Lage in den USA und der Eurozone könnte der Ölpreis steigen. Die Produktionsseite bleibe aber ein Politikum, weshalb insbesondere hier eine erhöhte Prognoseunsicherheit vorliege.
Im Segment der Industriemetalle gebe es Aufwärtspotenzial. „Mir scheint insbesondere die chinesische Wirtschaft bei vielen Marktteilnehmern zu schlecht bewertet“, sagte Stephan. „Es werden schlichtweg zu viele Negativszenarien eingepreist. Manifestieren sich diese 2019 nicht, sollten die Metallpreise tendenziell steigen.“ Anlegern empfiehlt die Deutsche Bank trotzdem auch im kommenden Jahr keine direkten Investments in Rohstoffe.
„Investoren, die im Rohstoffbereich anlegen möchten, dürften mit Aktien aus diesem Sektor besser fahren“, so Stephan. Auch beim Thema Gold ist man skeptisch. „Seinen Status als sicherer Hafen in unsicheren Zeiten hat Gold zumindest aktuell verloren. Ich sehe derzeit zu wenig Preispotenzial für einen Einstieg“, sagte Stephan.
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Eine Welt, in der viele der großen Volkswirtschaften den Höhepunkt des Wachstums überschritten haben, sowie eine tendenziell weiter zunehmende Verunsicherung – damit rechnen die Kapitalmarktexperten der Deutschen Bank in ihrem Kapitalmarktausblick 2019, der heute in Frankfurt vorgestellt wurde. Während sich die konjunkturelle Dynamik im kommenden Jahr in der Eurozone, aber auch in vielen Schwellenländern abschwächen dürfte, reagieren die Märkte vor allem auf politische Belastungsfaktoren sensibel.
„In Europa begleiten uns weiterhin der Haushaltskonflikt mit Italien und die Sorgen vor einem ungeregelten Brexit“, sagte Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland bei Deutsche Bank Research. Bevor die Tinte unter einem Austrittsvertrag zwischen Großbritannien und der Europäischen Union nicht trocken sei, werde es kaum zu einer nachhaltigen Entspannung kommen. Zudem klammere sich Italien an einen nach EU-Regularien unzulässigen Haushalt. Das bedrohe das Rating des Landes und damit die Stabilität der gesamten Eurozone. „Italien bleibt ein ernstes Problem und hält die europäischen Anleihemärkte weiter in Atem“, stellte Schneider fest.
Hinzu komme der globale Handelsstreit insbesondere zwischen den USA und China. „Aus diesem Handelskonflikt kann zunehmend ein Kampf um wirtschaftliche und technologische Marktführerschaft werden. Es geht im Kern darum, wer die Standards setzt“, erklärte Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank. Noch bestehe allerdings die Hoffnung, dass es bei einem geplanten Treffen am 29. November 2018 vor dem G-20-Gipfel in Buenos Aires zu einer Annäherung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping kommen könnte. Ein globaler Konjunkturrückgang sei trotz der Herausforderungen nicht zu erwarten.
Für 2019 rechnet Schneider mit einem leichten Anstieg der Inflation. Das dürfte die Notenbanken – allen voran die US-amerikanische Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) – dazu veranlassen, ihre expansive Geldpolitik weiter zu straffen. Höhere Zinsen wären die Folge.
Konjunktur – keine Rezession in Sicht
Während die US-Konjunktur weiter unter Volldampf steht, dürften sich die Wachstumsraten 2019 in den meisten anderen bedeutenden Wirtschaftsregionen im Vergleich zu diesem Jahr abschwächen. „Wir sind weniger skeptisch als der Markt. Eine Rezession steht der Welt im kommenden Jahr nicht bevor“, sagte Stephan. Er rechne mit einem Weltwirtschaftswachstum von 3,8 Prozent. Der seit 2009 laufende Zyklus dauere damit rund zehn Jahre an.
Europa: solides Wachstum
Trotz politischer Herausforderungen wird die Wirtschaft der Eurozone nach Einschätzung der Deutschen Bank ihren Wachstumstrend im nächsten Jahr grundsätzlich beibehalten. Der Gesamt-Einkaufsmanagerindex ist zuletzt zwar deutlich gesunken. Mit einem Wert oberhalb der 50-Punkte-Marke deutet er jedoch auf weiteres Wachstum hin. Die erwartete leichte Straffung der Geldpolitik in der Eurozone, etwa in Form der geplanten Beendigung des Anleihekaufprogramms im Januar 2019, dürfte daher weiterhin gerechtfertigt sein und sollte die konjunkturelle Dynamik nicht beenden.
„Das bisher sehr umsichtige Handeln der EZB lässt hoffen, dass ihre für Spätsommer 2019 erwartete Anhebung des Einlagezinssatzes für Banken ohne größere negative Folgen für das Kreditwachstum in der Eurozone bleiben wird“, sagte Stephan. Für Deutschland rechnet die Deutsche Bank 2019 mit einem Konjunkturplus von 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, für die Eurozone sind es 1,7 Prozent.
USA: anhaltend hohe Dynamik
Der Ausblick für die Wirtschaft der USA bleibt positiv. Mit 2,8 Prozent sollte sie 2019 ähnlich stark wachsen wie im laufenden Jahr. „Haupttreiber sind die Auswirkungen der US-Steuerreform und höhere Staatsausgaben“, erklärte Schneider. Hohe private Konsumausgaben und insgesamt solide Investitionen stützten den Trend. Belastend für die Konjunktur könnten sich dagegen mögliche restriktivere Finanzkonditionen auswirken. „Wir gehen davon aus, dass die Fed bis zum Jahresende 2019 die Zinsen fünfmal anhebt und der Leitzins dann bei 3,25 bis 3,5 Prozent liegen wird“, so Schneider.
Währungen – die Suche nach dem „sicheren Hafen“
An den globalen Kapitalmärkten hält sich zwar hartnäckig die Dominanz des US-Dollar. Doch das Zwillingsdefizit (Summe aus Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit) der Vereinigten Staaten könnte den „Greenback“ zukünftig belasten. Für einen steigenden Euro müssten zunächst alle Zweifel am Fortbestand der europäischen Währungsunion ausgeräumt werden. Solange die politischen Risiken in Europa bestehen, sollte der Euro unter Druck bleiben.
Stärke wäre ihm nur bei Fortschritten in Themen wie Brexit und der italienischen Haushaltsdebatte zuzutrauen. „Zum Jahresende 2019 rechne ich mit einem EUR/USD-Wechselkurs von 1,15“, sagte Stephan. Der chinesische Renminbi leide unter dem Handelsstreit und der Reduktion des Leistungsbilanzüberschusses. Im Jahr 2019 sei daher mit einer Renminbischwäche zu rechnen.
Anlageklassen, Regionen und Branchen
Anleihen – geschenkt ist noch zu teuer
Für Rentenanleger dürfte sich die Situation im kommenden Jahr kaum verbessern. Im Gegenteil: In den USA und der Eurozone ist im Zuge einer insgesamt positiven Konjunkturentwicklung mit weiter steigenden Anleihezinsen zu rechnen. Bis zum September 2019 sollte sich auch das Zinsniveau von US-Staatsanleihen daher über alle Laufzeiten hinweg weiter nach oben bewegen.
Erst danach dürfte es aufgrund der sich anbahnenden konjunkturellen Wachstumsverlangsamung zum Jahresende wieder leicht fallen. „Nicht nur in den USA, sondern auch in der Eurozone erwarte ich steigende Kapitalmarktzinsen“, sagte Stephan. Zehnjährige Bundesanleihen sollten bis zum Jahresende allmählich auf etwas mehr als 1,0 Prozent zulegen. Damit sei an den Rentenmärkten der Eurozone 2019 kaum Geld zu verdienen.
„Das Umfeld bleibt schwierig. Rendite bei Anleihen ist nach wie vor nur mit Risiko zu erzielen“, sagte Stephan. Schwellenländer zum Beispiel böten zwar weiterhin vergleichsweise hohe Zinsen, seien jedoch insbesondere anfällig für Währungsschwankungen. „Wenn die Fed ihre Zinsen erhöht, werden die Anleihen vieler Schwellenländer weiter unter Druck stehen – insbesondere solche in Lokalwährungen“, so Stephan. Im Portfoliokontext spielen Renten zur Diversifikation und Steuerung des Gesamtrisikos dennoch eine wichtige Rolle. Bevorzugt sind hierzu Anleihen mit niedriger Laufzeit oder variabler Verzinsung.
Aktien – gut in den USA, günstig in Europa, gut und günstig in Asien
Am Aktienmarkt nahm die Nervosität der Anleger im Jahr 2018 zu. Denn trotz insgesamt guter Unternehmenszahlen ging es mit den Kursen zeitweise deutlich abwärts. Nach fast zehn Jahren tendenziell steigender Notierungen reagieren Marktteilnehmer sensibler – vor allem auf politische Nachrichten. „Wir sehen für das Jahr 2019 trotz Unsicherheiten weiteres Kurspotenzial für Aktien. Anleger könnten in Erwägung ziehen, die durch die Kursverluste im zweiten Halbjahr 2018 gesunkenen Bewertungen als Einstiegsmöglichkeit zu nutzen“, sagte Stephan.
Ausschlaggebend dafür seien die robusten Gewinnerwartungen der Unternehmen sowie das interessante Bewertungsniveau. Anleger sollten sich aufgrund der zunehmenden Marktnervosität jedoch auf anhaltende Kursschwankungen einstellen, ihre Portfolios regelmäßig überprüfen und aktiv steuern. Bei langfristigem Anlagehorizont sei es dabei wichtig, sich nicht von kurzfristigen Marktereignissen verunsichern zu lassen.
USA: gute Unternehmensaussichten
Amerikanische Unternehmen dürften weiterhin von der Stärke der US-Wirtschaft und den Fiskalmaßnahmen der Trump-Regierung profitieren. „US-Unternehmen erzielen den überwiegenden Teil ihrer Umsätze auf dem Heimatmarkt. Da wirkt sich ein florierender Binnenkonsum positiv auf die Konzernergebnisse aus“, sagte Stephan. Für 2019 rechnet er mit einem soliden Gewinnwachstum von bis zu 10 Prozent. Ein weiterer wichtiger Aktienmarkttreiber seien Aktienrückkäufe, die in den USA eine deutlich größere Rolle spielten als beispielsweise in Europa. Diese sogenannten Buy-backs stützen die Kurse.
Für das kommende Jahr könnte mit einem Rückkaufvolumen von insgesamt rund 1 Billion US-Dollar ein neues Rekordergebnis erreicht werden. „US-Aktien bleiben damit interessant, obwohl sie im internationalen Vergleich nicht ganz günstig sind“, fasste Stephan zusammen. Für entsprechend risikobereite Anleger könnten in den USA beispielsweise der Rohstoff-, Industrie- und Finanzsektor interessant sein. Diese sind niedriger bewertet als der Gesamtmarkt und weisen gleichzeitig hohe Gewinnerwartungen auf.
Europa: günstige Bewertungen
In Europa machen vor allem die Bewertungen Aktien für Anleger interessant. „Europäische Aktien sind derzeit besonders günstig“, sagte Stephan. Sobald sich die Situation etwa beim Brexit oder im Italienkonflikt entspanne, könnten Anleger wieder Vertrauen fassen und am Markt zugreifen. „Ausgewählte Aktien aus Europa gehören für mich auch 2019 ins Portfolio“, stellte Stephan klar. Das umfasse auch den deutschen Aktienmarkt.
Ein starker Fokus auf den DAX empfehle sich jedoch nicht: „Der deutsche Leitindex reagiert aufgrund seiner zyklischen Ausrichtung und seines hohen Anteils an Autotiteln sehr sensibel auf konjunkturelle Entwicklungen. Zudem umfasst er nur 30 Werte. Das macht ihn schwankungsanfällig“, erklärte Stephan. In Europa scheinen vor allem Aktien aus den Sektoren Grundstoffe, Bauindustrie und Werkstoffe, Finanzdienstleistungen sowie Öl und Gas interessant. Grundsätzlich stehen sogenannte Value-Titel, also niedrig bewertete Unternehmen, im Fokus.
Asien: gute und günstige Aktienmärkte
An den asiatischen Aktienmärkten sorgt vor allem der Handelsstreit zwischen China und den USA für schlechte Stimmung und hat die Kurse fallen lassen. Allerdings sei die Stimmung schlechter als die Faktenlage: „Insgesamt hohe Gewinnerwartungen und vergleichsweise niedrige Bewertungen könnten die Aktienkurse in den asiatischen Schwellenländern 2019 steigen lassen und die Region damit für Anleger interessant machen“, sagte Stephan.
Vieles hänge dabei von der wirtschaftlichen Entwicklung in China ab, die er grundsätzlich positiv sieht: „Die geldpolitischen und fiskalischen Stimuli der Regierung dürften das Wachstum und damit die Kapitalmärkte weiter stabilisieren. Wir erwarten für das kommende Jahr ein solides Konjunkturplus in China von 6,3 Prozent. Das sollte auf die gesamte Region positiv abstrahlen.“ Während die Industrieunternehmen der „Old Economy“ dort in den Hintergrund rückten, entstünden neue Branchenriesen mit entsprechenden Wachstumspotenzialen in aussichtsreichen Technologiezweigen. Chancen sieht Stephan eher in Nord- als in Südasien. Seine regionalen Favoriten sind China, Korea und Japan.
Sektoren – Technologie bestimmt den Trend und die Performance der Märkte
Neben der regionalen Auswahl sollten Anleger 2019 besonderes Augenmerk auf die Sektorunterschiede legen. Der Techsektor etwa hat über die vergangenen Jahre stark an Bedeutung zugelegt. So machen Technologieunternehmen an den Aktienmärkten in den USA und Asien nach klassischer Definition bereits 25 bis 35 Prozent der Marktkapitalisierung aus.
„Tech hat mittlerweile nur noch wenig mit dem spekulativen Neuen Markt von vor 20 Jahren gemeinsam: Die Unternehmen erzielen heute hohe Margen und Gewinne. Nach zehn Jahren Aufschwung bestimmt Technologie den Trend in der Wirtschaft und an den Märkten. Die Techwerte sollten sich insgesamt aber nicht mehr so viel besser entwickeln als der Gesamtmarkt“, erläuterte Stephan.
Auch die Vielfalt der Unternehmen innerhalb der Branche hat sich vergrößert. Die führenden Indexanbieter Standard & Poor‘s und MSCI passten daraufhin im vergangenen September sogar ihre Klassifikation der Sektoren an. Techfirmen finden sich nun in den Bereichen Technologie (zum Beispiel Hardwarehersteller), zyklischer Konsum (Onlinehändler) und im neu geschaffenen Sektor der Kommunikationsdienstleister (Unternehmen aus den Bereichen Unterhaltung und Softwaredienstleistungen).
„Tech ist nicht gleich Tech. Es muss künftig viel detaillierter über Technologiewerte diskutiert werden, und Anleger müssen noch genauer auf die einzelnen Geschäftsmodelle schauen“, forderte Stephan. Viele Techkonzerne seien hoch diversifiziert und beispielsweise in den Bereichen Onlinehandel, Cloud-Computing und künstliche Intelligenz gleichzeitig aktiv. „Das ökonomische Potenzial von Innovationen in diesen Bereichen ist groß. Es wird aber eher Jahre statt Monate dauern, bis es in der Realwirtschaft ankommt“, so Stephan.
Immobilien – Boom ist nicht gleich Blase
Knapper Wohnraum, Kapazitätsauslastung in der Bauindustrie, moderate Hypothekenverschuldung: Das viel diskutierte Platzen einer vermeintlichen Immobilienblase in Deutschland ist aus Sicht der Deutschen Bank auch im kommenden Jahr nicht zu erwarten. „Die durchschnittlichen Preise für Wohnimmobilien werden hierzulande weiter steigen. Der preisliche Aufschwung basiert bisher nicht auf einer Ausweitung der Kredite, denn das Verhältnis von Haushaltsverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt ist in Deutschland in den letzten Jahren nahezu unverändert“, sagte Stephan. Jedoch dürfte dieser Anstieg nicht bundesweit zu beobachten sein.
„Es sind insbesondere die Ballungsräume und großen Metropolregionen, in denen nach wie vor zu wenig gebaut wird, um die hohe Nachfrage zu befriedigen. Das stützt die Preise“, erläuterte Stephan. Renditepotenzial sei aufgrund der soliden konjunkturellen Lage auch bei Gewerbeimmobilien zu erwarten. Für Berlin beispielsweise rechnet die Deutsche Bank bis 2022 im Schnitt mit Mietsteigerungen von in Summe mehr als 20 Prozent.
Diese Aussichten für Deutschland stünden allerdings im Gegensatz zu einzelnen ausländischen Immobilienmärkten wie Australien oder Kanada, die bereits Anzeichen einer Überhitzung zeigten. Trotzdem sollten sich insgesamt breit gestreute globale Immobilieninvestments lohnen.
Rohstoffe – hohe Schwankungen, geringes Anlagepotenzial
Obwohl Erdöl und Industriemetalle für die wirtschaftliche Entwicklung der Welt gleichermaßen unabdingbar sind, werden ihre Notierungen von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. „Während der Erdölmarkt stärker von der Nachfrage aus den Industrieländern abhängt, orientieren sich die Preise von Kupfer, Aluminium und Co. hauptsächlich am Verbrauch in den Schwellenländern, insbesondere in China“, erklärte Stephan. Aufgrund der erwarteten soliden konjunkturellen Lage in den USA und der Eurozone könnte der Ölpreis steigen. Die Produktionsseite bleibe aber ein Politikum, weshalb insbesondere hier eine erhöhte Prognoseunsicherheit vorliege.
Im Segment der Industriemetalle gebe es Aufwärtspotenzial. „Mir scheint insbesondere die chinesische Wirtschaft bei vielen Marktteilnehmern zu schlecht bewertet“, sagte Stephan. „Es werden schlichtweg zu viele Negativszenarien eingepreist. Manifestieren sich diese 2019 nicht, sollten die Metallpreise tendenziell steigen.“ Anlegern empfiehlt die Deutsche Bank trotzdem auch im kommenden Jahr keine direkten Investments in Rohstoffe.
„Investoren, die im Rohstoffbereich anlegen möchten, dürften mit Aktien aus diesem Sektor besser fahren“, so Stephan. Auch beim Thema Gold ist man skeptisch. „Seinen Status als sicherer Hafen in unsicheren Zeiten hat Gold zumindest aktuell verloren. Ich sehe derzeit zu wenig Preispotenzial für einen Einstieg“, sagte Stephan.
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