Von Wandfarbe bis Kernfusion – alles Zukunftsmusik?
Grüne Technologien stehen bei Unternehmen und Verbrauchern hoch im Kurs. Doch welche Lösungen verbessern wirklich die Klimabilanz? Ein Überblick.
Welche Technologien nutzen Sie schon, um klimafreundlicher zu leben?
E-Autos, Solarthermie und intelligente Thermostate sind heute schon relativ weit verbreitet. Aber was ist mit ganz neuen Ansätzen? Wir haben Passanten in Frankfurt gefragt, welche Technologien sie zuhause nutzen, um klimafreundlicher zu leben, und welche Innovationen sie sich noch wünschen.
Nicht nur im Hausgebrauch spielen Umweltaspekte eine Rolle. Der industrielle Einsatz von grünen Technologien, wie Solar- und Windenergie begann in den 80er Jahren. Seit dem Pariser Abkommen sind die Dringlichkeit und der Druck grüne Technologien vermehrt einzusetzen und weiterzuentwickeln deutlich gestiegen. Reifegrad und Durchdringung einzelner Methoden sind sehr unterschiedlich ausgeprägt und die Zeit läuft, um die Klimaziele global zu erreichen.
Evergreen
Der Energie-Sektor ist nach wie vor der größte Emittent von Kohlenstoff-Dioxid. Er liefert den Treibstoff für unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Alternativen zu fossilen Brennstoffen sind zwar auf dem Vormarsch, aber es gibt noch reichlich Potenzial: Ob Wind-, Solar- oder Bioenergie - erneuerbare Energien machen aktuell knapp 30% am global erzeugten Strommix aus. In Deutschland waren es im vergangenen Jahr knapp 50%. Das soll mehr werden – zumal insbesondere Wind- und Solar-Energie vergleichsweise kostengünstig ist. Allerdings hängen sie vom Wetter ab, und sind damit nicht gleichmäßig verfügbar. Weltweit arbeiten Forschende und Firmen deshalb intensiv an Speicherlösungen.
Umdenken
Bereits 1966 schrieb Kenneth E. Boulding, dass unsere planetaren Ressourcen begrenzt sind, und entwickelte die Idee der Kreislaufwirtschaft. Sie verbraucht weniger Rohstoffe, verwertet mehr, produziert viel weniger Müll und CO2 und hilft auch der Artenvielfalt (Biodiversität). Kreislaufwirtschaft ist mehr als Recycling und beinhaltet die gesamte Wertschöpfungskette: Alle Stoffe zirkulieren. Laut Roland Berger würde eine Kreislaufwirtschaft nahezu 70 Prozent an CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 reduzieren. Der Weg dorthin ist allerdings noch weit. Kreislaufwirtschaft gilt zwar als Wachstumsbereich, erfordert aber auch, dass wir unsere bisherige Art des Wirtschaftens und Konsumierens komplett umdenken müssen.
Rückbesinnung
Der Sonntagsbraten: Fleisch nur an Feiertagen zu essen, erlebt eine Renaissance. Allein in Deutschland ist der Fleischkonsum in den letzten Jahren zurückgegangen. Darüber hinaus steigt auch der Absatz von Fleischersatzprodukten. Für unsere Klimabilanz ist das gut, denn Nahrungsmittel machen etwa ein Viertel der weltweiten Treibhausgas-Emissionen aus. Ersetzt man beispielsweise Rindfleisch durch Hühnerfleisch, würde sich der CO2-Ausstoß schon um die Hälfte reduzieren. Fleischersatzprodukte aus Pflanzen oder dem Labor sind gefragt. Das zeigt auch die Anzahl von Innovationen und Start-ups auf diesem Gebiet. 65 Prozent davon stammen aus den USA.
Multitalent
Ob in der Industrie, der Wärmeversorgung oder dem Transportwesen – grüner Wasserstoff kann an vielen Stellen CO2 einsparen, und zwar bis zu 70 Prozent. Wir können ihn durch Elektrolyse aus Wasser gewinnen. Wenn die dafür nötige Energie aus erneuerbaren Energien kommt, spricht man von grünem Wasserstoff. Noch ist dieser allerdings sehr teuer, weil es noch nicht genug verfügbare erneuerbare Energie gibt. Dasselbe gilt für Elektrolyseure, die noch nicht in Serie produziert werden. In naher Zukunft soll sich das ändern. Insbesondere Afrika entwickelt sich zu einem wichtigen Wasserstoff-Lieferant, weil der Kontinent Regionen mit viel Sonne, Wind und großen Freiflächen hat.
Kontroverse
Das technische Speichern von Kohlenstoffdioxid, das sogenannte Carbon Capture and Storage (CCS), wird kontrovers diskutiert. Insbesondere die Landwirtschaft oder die Zement-, Kalk- und Glasindustrie werden den CO2-Ausstoß nicht ganz vermeiden können. Seit Jahren arbeiten Firmen daran, Kohlenstoffdioxid in eigens dafür vorgesehenen Anlagen langfristig zu speichern. Diese künstlichen Kohlenstoffsenken können sich am Meeresboden oder an Land befinden. Dadurch könnten dauerhaft 65 bis 80 Prozent aus der Atmosphäre absorbiert werden. Das kostet viel Energie und es gibt Risiken, beispielsweise Lecks. Der Beitrag von CCS zum Klimaschutz ist umstritten. Doch durch CO2-Reduktion allein, werden wir das 1,5 Grad-Ziel nicht erreichen können.
Zukunftsmusik
Die Sonne ist unsere wichtigste Energiequelle. Sie eines Tages imitieren zu können, gehört zu den großen Hoffnungen der Wissenschaft. Eine Annäherung an ihre Energiegewinnung ist die Kernfusion. Dabei werden, im Gegensatz zur Kernspaltung, Atome miteinander verschmolzen. Der jüngst erfolgte wissenschaftliche Durchbruch in den USA, mehr Energie bei der Verschmelzung von Atomen zu gewinnen, als einzusetzen, dürfte die Forschung weiter vorantreiben. Laut aktuellem Wissenstand gilt dieses Verfahren als sicher und sauber. Allerdings ist es noch sehr teuer und bis zur Marktreife ist es noch ein langer Weg. Der Methode wird sehr viel Potenzial zugesprochen. Sie kann laut Wissenschaft zur kosteneffektivsten und saubersten Stromquelle überhaupt werden. Bis dahin wird die Erde aber noch einige Male um die Sonne kreisen.
Katrin Palm
…verantwortet digitale Kampagnen und Kommunikationsprojekte. Sie selbst nutzt Technologien, wie Elektromobiliät und Solarthermie, um den Alltag nachhaltiger zu gestalten. Von den grünen technologischen Entwicklungen erhofft sie sich eine schnellere Durchschlagskraft.
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