Neues Shampoo in alten Flaschen
Charlotte Woodside, Nachhaltigkeits-Expertin der Deutschen Bank, erklärt im Interview, was sie an der Kreislaufwirtschaft fasziniert, welche Rolle die Deutsche Bank in diesem wachsenden Markt spielt und wo Innovationen noch fehlen.
Charlotte, du beschäftigst dich seit Längerem beruflich mit der Kreislaufwirtschaft – was fasziniert dich daran?
Die Kreislaufwirtschaft ist sehr facettenreich. Ich komme ursprünglich aus der Abfall-Wirtschaft und da ist die Arbeitsstätte zugegebenermaßen auf den ersten Blick eher eklig. Aber es steckt so viel Potenzial drin. Bereits als Kind hat mich fasziniert: Du wirfst etwas in den gelben Sack und dann kommt eine neue Shampoo-Flasche raus. Zumindest ist das die Geschichte, die mir als Kind so vermittelt wurde. Und das ist einfach falsch.
Schockiert hat mich, dass dieses Bild aber weit verbreitet ist und wir nichts dagegen tun. So bin ich im Nachhaltigkeitsbereich gelandet, um unter anderem dieses Thema voranzutreiben. In dem Modell der Kreislaufwirtschaft gibt es so viele Akteure und so viele Stellschrauben. Für mich ist die Idee, dass man eine Shampoo-Flasche abgibt und dann kommt eine neu gefüllte wieder raus, das Ziel.
An welchen Stellschrauben kann man denn aus deiner Sicht aktuell am meisten bewegen?
Natürlich fällt einem als erstes die Recycling-Branche ein. Die ist auch ein wichtiger Baustein, aber ohne das Produkt-Design mit einzubeziehen, macht eine Kreislaufwirtschaft wenig Sinn. Und zusätzlich gibt es noch viele andere Akteure, wie die Konsumenten selbst, die Regulierung, die Banken und natürlich alle anderen Beteiligten in der Wertschöpfung.
Wichtig ist vor allem, dass der Recycler mit dem Produzenten spricht. Was passiert zum Beispiel mit schwarzem Kunststoff am Ende der Wertschöpfung, wenn man ihn mit Ruß eingefärbt hat? Er wird in den Sortieranlagen nicht detektiert, das heißt, er kann nicht herausgefiltert werden, um ihn weiter zu nutzen. Die Lösung: Hersteller und Recycler finden ein Färbemittel, das genauso farbkräftig deckt, aber besser detektiert werden kann. Damit kann man sicherstellen, dass die Kunststoffe richtig sortiert und dann hoffentlich recycelt werden. So geschehen zum Beispiel bei Clariant, Unilever und Tomra.
Wichtig ist vor allem, dass der Recycler mit dem Produzenten spricht.
Um bei den Rohstoffen zu bleiben, für welche eignet sich die Kreislaufwirtschaft am ehesten?
Papier und Metalle sind mittlerweile selbstverständlich, da wird schon gar nicht mehr viel debattiert. Es gibt aber natürlich auch viele andere. Als Beispiel nehme ich jetzt noch einmal Plastik. Hier haben wir nach wie vor Herausforderungen, die vielen nicht bewusst sind. Bei Kunststoffen gibt es sehr viele unterschiedliche Arten und Spezifizierungen, die man mit dem bloßen Auge gar nicht erkennt. Und für jede gibt es eine Daseinsberechtigung. Eine Variante garantiert die Lebensdauer von Lebensmitteln.
Gerade im Lebensmittelbereich gibt es viel durchsichtiges Plastik, wir können es aber nicht ausschließlich einsetzen, weil Lichteinfluss bestimmte Produkte schädigt. Andere Produkte reagieren mit bestimmten Kunststoffen chemisch. Aus diesem Grund kann man Plastik nicht sortenrein vereinheitlichen. Und dies stellt ein großes Problem dar, denn unterschiedliche Kunststoffarten können nicht gemeinsam recycelt werden.
Welche Teilnehmer sind in der Kreislaufwirtschaft aktuell unterrepräsentiert?
Wir – die Konsumierenden. Es fängt schon bei der Mülltrennung an. Löse ich bei einem Joghurt-Becher die Papier-Ummantelung nicht, kann dieser Becher nicht recycelt werden. Weil man den Becher durch das Papier nicht sieht und dieser nicht aussortiert werden kann. Wir sortieren entweder falsch, trennen nicht richtig oder gar nicht, und wenn wir ein neues Produkt kaufen, soll das Plastik lupenrein sein. Das bedeutet: Die Verbraucher*innen sind Teil des Problems und wir könnten einen guten Beitrag für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft leisten.
Die Verbraucher*innen sind Teil des Problems.
Wenn wir auf weitere Akteure schauen: Welche Bedeutung hat die Kreislaufwirtschaft für die Bank?
Die Deutsche Bank unterstützt die Kreislaufwirtschaft als Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Kreislaufwirtschaft ist ein gutes Modell, weil es nachhaltig ist und umwelttechnisch Sinn macht. Es bietet zudem ein Geschäftsfeld, das finanziert werden muss. Daher wird Kreislaufwirtschaft in unserem Sustainable Finance Framework aufgeführt, was definiert, welche Aktivitäten wir als Deutsche Bank als nachhaltig einordnen.
Wir wollen unserer Verantwortung, die wir bei Umwelteinflüssen und sozialen Aspekten haben, nachkommen. Aus diesem Grund unterstützen wir unsere Kunden, Elemente aus der Kreislaufwirtschaft in ihr Geschäftsmodell zu integrieren. Setzt sich beispielsweise ein Unternehmen das Ziel weniger Verpackungen einzusetzen oder den Kunststoff-Abfall zu reduzieren, kommt es potenziell für eine nachhaltige Finanzierung infrage.
Was muss sich tun, damit mehr Geld in das System der Kreislaufwirtschaft fließt?
Ich glaube, durch Gesetze wird sich das schnell ändern. Zum Beispiel ist es nicht immer erlaubt recycelte Produkte zurückzuführen, insbesondere solche mit Lebensmittelkontakt. Bei PET-Flaschen ist das anders, die dürfen für Flüssigkeiten weiterverwendet werden. Plastik, das im gelben Sack landet, hat keine Lebensmittelechtheit mehr und darf deswegen nicht zurückgeführt werden. Das gilt selbst für Beutel, in denen Kartoffeln verkauft werden, auch wenn man diese gar nicht roh verzehrt.
Das ist ein Stück weit frustrierend, wenn diese Art von Kunststoff dann in minderwertige Rohre oder Parkbänke geht, aber so viel Bedarf daran gibt es nicht. Der größte Bedarf besteht bei neu produziertem Plastik. Hier steckt noch viel Potenzial, alle Sorten auch weiterhin im Kreislauf zu halten.
Der größte Bedarf besteht bei neu produziertem Plastik.
Welche Innovationen braucht die Kreislaufwirtschaft?
Nimmt man das Recycling, ist das mechanische Verfahren schon recht weit. Das chemische Recycling ist weniger gut entwickelt, würde aber Potenzial für Kunststoffe mit Lebensmittelechtheit bieten. Bei diesem Verfahren besteht aktuell noch die Herausforderung, dass es extrem teuer ist und der Recycler große Mengen an Kunststoffen braucht um wirtschaftlich arbeiten zu können, auch der Energiebedarf ist bei dieser Methode noch sehr hoch. Das ist aber nur ein Baustein. Es braucht bei jedem Akteur im Kreislauf Innovationsgeist.
Wachstum ist oft ein Treiber von Innovationen, wie findet das in der Kreislaufwirtschaft statt?
Es gab mal eine Zeitlang den Glauben, dass Unternehmen ihre Produkte so konzipieren, dass sie nach Ablauf der Garantie kaputt gehen. Das glaube ich nicht. Aber es stimmt natürlich, dass Unternehmen sich anpassen müssen. Das wiederum bietet Raum für Innovationen und neue Geschäftsfelder, wie das Reparieren oder die Erweiterung des Ersatzteil-Angebots.
Firmen müssen sich dahingehend anders ausrichten. Das ist im Zweifel etwas aufwendiger, aber durchaus lukrativ – siehe die Outdoor-Marke Patagonia. Die haben einen ganzen Geschäftszweig auf „Second Hand“ ausgelegt. Es gibt auch schon etliche Unternehmen, die sich auf das Produzieren mit entsorgtem Plastik spezialisiert haben. Auch das ist eine Möglichkeit, Bestandteile in den Kreislauf zurückzuführen.
Was tut die Deutsche Bank, um selbst Teil der Kreislaufwirtschaft zu sein?
Die Deutsche Bank hat bereits einige wichtige Dinge unternommen, um weniger Abfall zu produzieren. Beispielsweise verbrauchen wir deutlich weniger Papier, auch dank der Digitalisierung. Die Bank versucht da anzusetzen, wo es möglich ist. Da wir kein produzierendes Gewerbe sind, haben wir dementsprechend weniger Möglichkeiten. Aber auch in der Kantine wurden Rücknahmesysteme für Kaffeebecher oder Essensbehältnisse eingeführt.
Zahlungskarten aus recyceltem Kunststoff
Bis Ende 2024 werden schrittweise alle Zahlungskarten der Deutschen Bank und ihrer Töchter aus recyceltem Material bestehen. Alle neu ausgegebenen Karten der Bank werden auf Basis von sogenanntem rPVC (recyceltes Polyvinylchlorid) produziert. Die Bank ersetzt damit nach und nach alle Karten ihrer rund 19 Millionen Kundinnen und Kunden in Deutschland, also wenn eine Karte abläuft oder aus anderen Gründen eine Ersatzkarte benötigt wird.
Was ist dein persönlicher Tipp zur Abfallvermeidung?
Planung – ich plane meinen Konsum: Was esse ich wann, dann bringe ich mir selbst etwas zur Arbeit mit, und zum Einkaufen nehme ich entsprechend Behältnisse mit. Ich kaufe bedachter ein und versuche bei Online-Bestellungen Rücksendungen gänzlich zu vermeiden. Einfach ein bisschen weniger konsumieren und das auch bewusster tun. Zudem vermeide ich das Wegschmeißen von Lebensmitteln. Sie haben zwar den Vorteil, dass sie verrotten, aber auch in ihre Produktion fließen Ressourcen und Energie.
Über Charlotte Woodside
Charlotte Woodside ist in der Nachhaltigkeitsabteilung der Deutschen Bank für nachhaltige Finanzierungen tätig. Dabei überprüft sie geschäftliche Transaktionen daraufhin, ob diese den Nachhaltigkeitskriterien der Bank entsprechen. Ursprünglich kommt sie aus der Recycling-Branche und hat sich viele Jahre mit dem Thema Kreislaufwirtschaft beschäftigt.
Katrin Palm
…verantwortet digitale Kampagnen und Kommunikationsprojekte. Für sie ist Recycling bereits ein Thema seit ihrer Kindheit. Und obwohl sie sich schon länger für die Kreislaufwirtschaft interessiert, hat sie noch einiges in dem Gespräch mit Charlotte lernen können. Sie hofft, dass dieses Thema noch schneller Fahrt aufnimmt und stärker an Popularität und Bedeutung gewinnt.
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