Warum Kreislaufwirtschaft unsere Zukunft ist
Das deutsche Wirtschaftsmodell steckt in der Krise. Hohe Energiepreise, fragile Lieferketten, und geopolitische Unsicherheiten stellen Wachstum als Basis unseres Wirtschaftssystems in Frage. Rebecca Tauer vom WWF erklärt, warum die Kreislaufwirtschaft eine Lösung sein kann.
Rebecca, Ihrer Meinung nach ist das Thema „Kreislaufwirtschaft“ sehr wichtig. Wie sieht es in Deutschland damit aus?
Es ist erfreulich, dass Politik und Unternehmen sich intensiv mit der Kreislaufwirtschaft in allen Varianten auseinandersetzen. Allerdings haben wir in Deutschland in der Umsetzung noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Der deutsche Ressourcenverbrauch liegt 30 Prozent über dem globalen Durchschnitt.
Dies mag für eine der führenden westlichen Industrienationen nicht überraschend sein. Aber wir müssen uns bewusst machen: 40 Prozent aller deutschen Treibhausgasemissionen lassen sich auf die Entnahme und Verarbeitung von Rohstoffen zurückführen. Deshalb müssen wir in der Kreislaufwirtschaft Ressourcen- und Klimaschutz zusammendenken und ambitioniert umsetzen. Andere Länder sind da deutlich weiter.
Welche?
Unser direkter Nachbar Frankreich nimmt in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle ein. Zum Beispiel werden dort zentrale Vorgaben für umweltorientierte Beschaffung gemacht. Es gibt einen Reparaturindex für Verbraucher:innen, Kostenvorteile für ökologisch gestaltete Elektroprodukte und vorteilhafte Gewährleistungsvorgaben. Damit fördert Frankreich das Design und das Nutzen von langlebigen Produkten stärker.
Was muss Deutschland verändern?
Vorweg: Mit dem notwendigen Umbau liegt eine wirklich große Aufgabe vor uns. Deshalb muss Deutschland politisch ambitioniert handeln, um eine echte Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Marktversagen, die die Kreislaufwirtschaft behindern, müssen klar und deutlich adressiert werden.
Dazu gehört, dass Umweltkosten und fehlende Investitionen sowie Infrastrukturen oder mangelnde Transparenz und schwache Standards oft externalisiert werden, das heißt, dass sie nicht in den Preisen für Güter enthalten sind, sondern von der Allgemeinheit getragen werden. Bisherige politische Ansätze waren nicht effektiv, sie haben die Bremsklötze nicht lösen können. Deshalb erwarten wir eine ambitionierte Strategie der Bundesregierung, mit der sie aufholen möchte. Diese Strategie wird im Moment beim Umweltministerium erarbeitet und soll Mitte 2024 vorgestellt werden.
Ein Wendepunkt wären vor allem verbindliche Ressourcenschutzziele im Rahmen eines Ressourcenschutzgesetz, so wie wir es auch analog mit dem deutschen Klimaschutzgesetz haben. Wichtig ist aber auch: Die Gesellschaft muss für den Wandel sensibilisiert und auf die Reise mitgenommen werden. Unternehmen sollten ihre Geschäftsmodelle zugunsten der Kreislaufwirtschaft ändern, denn der Wandel eröffnet viele Chancen. Der Staat sollte als Vorbild agieren.
Wir erwarten eine ambitionierte Strategie der Bundesregierung.
Welche Rolle spielen Sie als WWF bei diesem Übergang?
Der WWF versucht über zwei Ebenen, eine Kreislaufwirtschaft zu fördern. Auf theoretischer Ebene erheben und beauftragen wir wissenschaftliche Studien und Daten. Über die Ergebnisse informieren wir Unternehmen, Fachleute und politische Entscheidungsträger:innen und diskutieren mit ihnen über die sich daraus ergebenen Handlungsfelder und Maßnahmen. Zudem klären wir Verbraucher:innen über die positiven Auswirkungen und Vorteile der Kreislaufwirtschaft auf, um sie zum Handeln zu motivieren. Auf praktischer Ebene entwickeln und nutzen wir Tools und Methoden, um Unternehmen dabei zu helfen, ihre Zirkularität zu bewerten. Anschließend helfen wir auch bei der Entwicklung und Umsetzung von wirkungsorientierten zirkulären Geschäftsmodellen und Zielen.
Wie kann ich mir das genau vorstellen?
Im CEWI-Projekt haben wir beispielsweise über 40 Unternehmen aus den Wertschöpfungsketten Gebäude und Automobil zusammengebracht. Am Beispiel Bausektor: Hier haben wir mit den Unternehmen in Projekten innovative Lösungen gefunden, dank denen verstärkt gebrauchte Bauteile und Materialien zum Einsatz kommen.
Gleichzeitig wollten wir das Bewusstsein für Erhalt von Bestand und nachhaltiges Bauen schärfen. Also haben wir Politiker*innen und Angestellte aus der Verwaltung mit den Unternehmen zusammengebracht, um über Potenziale und Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft für den Gebäudesektor zu sprechen. Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft müssen die verschiedensten Akutere zusammengebracht werden, wir verstehen uns hier als Brückenbauer.
Welche Rolle spielt Digitalisierung bei Ihren Projekten?
Die Digitalisierung spielt eine wichtige Rolle in der Kreislaufwirtschaft. Sie fördert das Wiederverwenden und Recycling, beispielsweise im Bausektor durch digitale Produktpässe, und unterstützt zirkuläre Geschäftsmodelle wie „Pay per Use“. Vorteile sind, dass man Materialien und Produkte leichter entlang der Lieferkette zurückverfolgen kann und Transparenz über die Inhaltsstoffe hat. Dazu können Unternehmen den Zustand von Produkten überwachen und ihre Nutzung optimieren.
Allerdings werden die Schattenseiten der Digitalisierung oft übersehen, insbesondere die Rebound-Effekte. Dies bedeutet, dass die Ressourceneinsparungen nicht zwangsläufig zu einem geringeren Umwelteffekt insgesamt führen, da die Datenübertragung und -verarbeitung viel Energie und Rechenzentren viel Ressourcen, darunter seltene Erden, benötigt.
Deshalb müssen wir schnell auf erneuerbare Energien umstellen und Energie in Rechenzentren effizienter nutzen. Insgesamt müssen wir weniger Material verbrauchen, beispielsweise indem wir auf langlebige Geräte setzen. Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft, die Haltbarkeit und Reparatur fördern, sind hier entscheidend.
Wir müssen schnell auf erneuerbare Energien umstellen und Energie in Rechenzentren effizienter nutzen.
Warum ist es denn so wichtig zirkulär zu wirtschaften?
Ganz einfach: Weil es auf einem begrenzten Planeten nicht unbegrenzt Ressourcen gibt. Und wie sehr wir bereits über das Limit gegangen sind, zeigen uns die eskalierende Klimakrise und das rapide Artensterben. Diese feuern wir mit unserer aktuellen Art zu Wirtschaften nicht nur an, sondern wir spüren auch zunehmend die klima- und naturbedingten Risiken, auf die wir eine Antworten finden müssen.
Dürre, Fluten, Waldbrände nehmen zu, während sichere und widerstandsfähige Lieferketten abnehmen. Bisher völlig selbstverständliche Ökosystemleistungen wie sauberes Wasser oder ertragreicher Ackerboden werden fragiler, anfälliger für Ausfälle. Das muss ich einpreisen, wenn ich auch zukünftig erfolgreich wirtschaften möchte.
Und wie genau hilft zirkuläres Wirtschaften dabei?
Zirkuläres Wirtschaften ist ein passender Schlüssel, Geschäftsmodelle krisensicher aufzustellen. Es zielt darauf ab, Ressourcen effizienter einzusetzen, Produkte lange und intensiv zu nutzen, Materialien wiederzuverwenden und Recycling zu maximieren. Dies schützt die Umwelt, reduziert den CO2-Ausstoß und verringert die Abhängigkeit von endlichen Ressourcen. Die Kreislaufwirtschaft bietet zudem wirtschaftliche Chancen und fördert Innovationen.
Zusammenarbeit mit Unternehmen in diesem Bereich ist entscheidend, um den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu beschleunigen und gleichzeitig positive ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen zu erzielen. Wir werden es uns in Zukunft schlicht nicht mehr leisten können, auf eine Kreislaufwirtschaft zu verzichten. Als Unternehmerin kann ich zum Beispiel diesen Übergang frühzeitig planen, steuern und effizient vorantreiben – und mir von vornherein einen Wettbewerbsvorteil zu sichern.
Wir werden es uns in Zukunft schlicht nicht mehr leisten können, auf eine Kreislaufwirtschaft zu verzichten.
Das klingt nach einem langen Weg. Welche Schritte sind nötig, um die globale Wirtschaft zirkulärer auszurichten?
Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle teilweise von Grund auf verändern. Finanzmarktakteure spielen dabei eine entscheidende Rolle. Für den notwendigen Strukturwandel und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in der Kreislaufwirtschaft brauchen wir Finanzinstrumente wie Kredite mit bevorzugten Konditionen, spezielle Finanzierungsvehikel wie "Circular Economy-Anleihen" und Anpassungen in der Finanzmarktregulierung.
Banken und Finanzinstitute sind prädestiniert dafür, die Realwirtschaft bei der Transformation zu begleiten. Steuern von klima- und naturbedingten Risiken gehört doch zum Kern des Bankentums. Sie müssten nur Mark Carneys berühmte „Tragödie des kurzfristigen Horizonts“ überwinden. Weiter sind Öffentlich-Private Partnerschaften ebenfalls entscheidend, um private Mittel für zirkuläre Initiativen zu mobilisieren. Es ist dabei wichtig, dass diese Finanzierungsmechanismen vor allem den oberen R-Strategien (Reduzieren, Wiederverwenden, Reparieren, Remanufaktierung, usw.) zugutekommen und nicht nur Recycling und abfallbezogene Maßnahmen ansprechen.
Das Steuern von klima- und naturbedingten Risiken gehört doch zum Kern des Bankentums.
Rebecca, als letzte Frage: Welchen Beitrag kann ich selbst leisten?
Zuallererst ist es wichtig, dass Sie eine Aufmerksamkeit für Ihr Handeln und Ihre Umwelt entwickeln. Jeden Tag gibt es viele Möglichkeiten, Kreislaufwirtschaft in allen Lebensbereichen umzusetzen. Öffentlichen Verkehr nutzen und Fahrrad fahren, statt das zweite eventuell auch noch zu große Auto zu kaufen. Weniger (neue) Sachen kaufen und auch gebrauchten Gegenständen eine Chance geben. Dinge lange nutzen und wenn möglich, defekte Gegenstände reparieren, anstatt sie wegzuwerfen. Einwegprodukte vermeiden und auf Mehrweglösungen setzen. Verpackungen reduzieren, indem man auf dem Wochenmarkt einkauft. Und am Ende auch darauf achten, Produkte wie Textilien und Elektrogeräte verantwortungsvoll zurückzuführen, indem Sie beispielsweise alte Elektrogeräte im Supermarkt abgeben. Das sind nur ein paar kleine Ideen, wie jeder von uns täglich einen Beitrag leisten kann!
Die Deutsche Bank und der WWF
Die Deutsche Bank und der WWF Deutschland unterzeichneten am 13. Februar 2023 in Berlin eine 2-jährige Kooperation für nachhaltige Finanzdienstleistungen. Ziel ist es, zur Nachhaltigkeitsstrategie der Deutschen Bank beizutragen. Der WWF bringt seine Expertise und Netzwerke ein, um durch die gemeinsamen Projekte die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft mit voranzutreiben.
Über Rebecca Tauer
Rebecca Tauer, Leiterin des Circular Economy-Programms beim WWF Deutschland, fasziniert Nachhaltigkeit schon seit ihrem Masterstudium.
In Australien hat sie als Strategiemanagerin die ESG-Strategie eines großen Logistikers gestaltet und damals das Thema Energieeffizienz und Reporting maßgeblich ausgestaltet. Als europäische Marketing-Managerin für die Nachhaltigkeitsabteilung eines globalen Elektrokonzerns hat sie die Kommunikation zu nachhaltigen Wirtschaften umgesetzt.
Sie arbeitet seit 2016 beim WWF, zuerst als Referentin des Vorstands, dann als Senior Managerin im Team Wirtschaft und Märkte, wo sie das Thema Circular Economy für den WWF entdeckte und begann, auszugestalten. Sie vertritt den WWF in externen Gremien zum Beispiel in der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie, dem Textilbündnis und dem Vaude Green Shape Beirat.
Über WWF
Der WWF (World Wide Fund for Nature) ist eine führende Umweltorganisation, die sich seit 1961 weltweit für den Natur- und Artenschutz einsetzt. In Deutschland spielt der WWF eine aktive Rolle bei der Förderung der Kreislaufwirtschaft, die darauf abzielt, den Lebenszyklus von Produkten zu verlängern und Abfall zu reduzieren. Hierbei nutzt der WWF politische Instrumente wie Anreize, Vorschriften und Förderprogramme, um die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu unterstützen.
Durch die enge Zusammenarbeit mit Unternehmen begleitet der WWF deren Schritte zur Umsetzung nachhaltiger Praktiken und trägt dazu bei, dass die deutsche Wirtschaft auf Wiederverwendung, Reparatur und Recycling setzt. Als befähigender Akteur agiert der WWF als Katalysator für eine nachhaltige Transformation. Der WWF Deutschland arbeitet daran, die Kreislaufwirtschaft in Deutschland zu stärken und somit die Grundlage für eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen.
Timo Bergold
… verantwortet internationale Kommunikationsprojekte der Deutschen Bank. Spannend findet er, wie Kreislaufwirtschaft gekoppelt mit Digitalisierung und neuen Technologien dabei helfen kann, Ressourcen gezielter einzusetzen und damit die Natur zu schützen.
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