Nachricht 28. April 2025

Privates Kapital kann Europas Verteidigung stärken

An politischer Entschlossenheit mangelt es nicht. Es werde „an keiner Stelle an finanziellen Mitteln fehlen, um die Freiheit zu verteidigen“, sagte der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz, nachdem der Bundestag die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gelockert hatte. Und Ursula von der Leyen sprach von „der bedeutsamsten und gefährlichsten Zeit“, um den Plan „ReArm Europe“ zu begründen, mit dem bis zu 800 Milliarden Euro mobilisiert werden könnten.

Europa hat also erkannt, dass es mehr in seine Verteidigung investieren muss. Laut der Denkfabrik Bruegel muss Europa seine jährlichen Verteidigungsausgaben um mindestens 250 Milliarden Euro erhöhen. Aber wie setzen wir diese Summen strategisch klug ein – und wie können der Finanzsektor und privatwirtschaftliches Kapital dazu beitragen? Vier Punkte sind entscheidend.

1. Europa muss seine Produktions- und Innovationskraft stärken

Möglichst viele unserer Rüstungsgüter sollten langfristig aus Europa kommen. Nur so sind wir nachhaltig unabhängig und strategisch souverän. Und nur so kann Europa die positiven Effekte für Technologie und Innovation nutzen und Arbeitsplätze in Hochtechnologiebereichen schaffen, wie es der US-Technologiesektor seit Jahrzehnten tut. Das Silicon Valley wäre ohne die langjährige Symbiose zwischen militärischer und ziviler Forschung nicht in dieser Form entstanden. Diesen Innovationsmotor müssen auch wir für die Gesamtwirtschaft nutzen.

2. EU-Verteidigungsbranche sollte Größenvorteile nutzen

Um Forschung und Entwicklung voranzutreiben, muss der europäische Verteidigungssektor Größenvorteile nutzen können. Von den zehn führenden Herstellern der Welt kommt derzeit kein einziger aus der Europäischen Union. Wir haben es mit zu viel Zersplitterung zu tun: In der EU gibt es aktuell zum Beispiel zwölf verschiedene Plattformen für Kampfpanzer, in den USA nur eine. Das treibt die Kosten und bremst Innovationen. Entscheidend ist daher eine gemeinsame, koordinierte Beschaffung in Europa, die den Unternehmen Planungssicherheit gibt – und damit auch ihren Finanzierern.

3. Öffentliche und private Mittel sollten kombiniert werden

Gleichzeitig müssen wir öffentliche Mittel effizient mit privatwirtschaftlichem Kapital kombinieren, um den Ausbau der Kapazitäten zu finanzieren. Banken und Investoren stehen hierfür bereit – so beläuft sich das entsprechende Kreditportfolio der Deutschen Bank auf einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag. Die Finanzierungskapazität der Banken ließe sich aber wirkungsvoller einsetzen, wenn sie – wo sinnvoll – mit öffentlichen Garantien oder ähnlichen Instrumenten kombiniert wird. Während der Coronapandemie konnte die Europäische Investitionsbank mit 24 Milliarden Euro an Garantien rund 186 Milliarden Euro an Investitionen mobilisieren. Diesen Mechanismus sollten wir auch für die Verteidigung nutzen. Ideen wie eine spezielle Bank für Verteidigung, Sicherheit und Resilienz in der EU sind daher vielversprechend.

4. Mehr Fokus auf Mittelständler und Start-ups

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind zentral in der Lieferkette der europäischen Verteidigungsindustrie – und sind meist auf Bankfinanzierung angewiesen. Da ist es kontraproduktiv, wenn die neuen Basel-III-Vorschriften die Kreditvergabe mit zusätzlichen Kapitalanforderungen belegen. Erleichterungen für Kredite an KMUs sind derzeit bis 2032 befristet – wir sollten sie dauerhaft festschreiben. Gleichzeitig sollten auch wir Banken uns noch stärker auf den Bedarf der Branche ausrichten – dazu haben wir zum Beispiel bei der Deutschen Bank gerade ein spezielles KMU-Team für den Verteidigungssektor geschaffen.

Dabei geht es auch um Kontakte zu möglichen Investoren: Laut EU-Kommission bräuchten KMUs im Verteidigungssektor jährlich eine Milliarde Euro an zusätzlichem Eigenkapital. Das ist besonders relevant für junge, innovative Unternehmen. In Europa mangelt es jedoch traditionell an Wagnis- und Wachstumskapital, und in staatlichen Förderprogrammen sind Startups aus dem Verteidigungssektor stark unterrepräsentiert.

Umso wichtiger ist es, die Finanzierungskraft europäischer Sparer und internationaler Investoren durch die Spar- und Investitionsunion freizusetzen, also durch einen gemeinsamen europäischen Kapitalmarkt. Laut dem Thinktank New Financial könnten so zwölf Billionen Euro an Investitionskapital für Europa mobilisiert werden. Dies würde es vielen Unternehmen ermöglichen, sich Kapital von Aktien- und Anleiheinvestoren zu beschaffen, auch im Verteidigungssektor.

Deutschland und Europa stehen vor großen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, die Finanzierungsfragen nicht zu vernachlässigen. Gerade damit wir das Geld der Steuerzahler bestmöglich einsetzen und Europas Verteidigung wirklich stärken können.


Der Beitrag erschien am 28. April 2025 im Handelsblatt.

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