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15. November 2021
Christian Sewing: „Europas Banken könnten das Beste noch vor sich haben“
Eröffnungsrede des Vorstandsvorsitzenden auf der EuroFinance Week in Frankfurt
Sehr geehrter Herr Minister Boddenberg,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Kukies,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich sehr, Sie alle heute erstmals wieder persönlich begrüßen zu können, um die Euro Finance Week hier im Kap Europa gemeinsam mit Ihnen zu eröffnen.
Allerdings ist meine Freude auch getrübt, denn wir sehen mit Sorge die steigenden Infektionszahlen – wohlwissend, was diese bedeuten. Die vergangenen Wochen, meine Damen und Herren, haben uns einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns alle impfen lassen. Bei aller Sorge um die individuelle Freiheit sehe ich es doch als unsere Bürgerpflicht an, sich und andere durch eine Impfung zu schützen.
Während uns die gesundheitlichen Folgen der Pandemie weiter belasten, lässt sich festhalten: Viele Unternehmen sind deutlich besser durch die Krise gekommen als befürchtet, und ich bin auch zuversichtlich, dass das so bleiben wird. Das ist zuallererst das Verdienst der Politik, die schnell und wirkungsvoll reagiert hat. Und auch wir Banken konnten unser Versprechen einlösen, Teil der Lösung zu sein.
Insgesamt bleiben die Aussichten daher positiv: Unsere Volkswirte rechnen für 2022 mit einem Wirtschaftswachstum von 4,2 Prozent weltweit und von 4,5 Prozent in Deutschland.
Risikoumfeld hat sich weiter verschlechtert
Das ist allerdings nur ein ziemlich pauschaler Indikator. Insgesamt ist das Bild viel differenzierter. Wir schauen derzeit auf ein politisches und wirtschaftliches Umfeld, das kontinuierlich riskanter zu werden scheint – ein Trend, den ich hier bereits im vergangenen Jahr angesprochen habe. Die Zahl der potenziellen Krisenherde steigt. Ich kann es Ihnen deshalb nicht ersparen, auch in diesem Jahr mit einer wirtschaftspolitischen Risikoanalyse zu beginnen, die weit über die Gefahr einer vierten Pandemiewelle hinaus geht.
Das betrifft zunächst einmal den globalen Handel. Die Pandemie hat uns schmerzlich vor Augen geführt, wie fragil scheinbar perfekte Lieferketten doch sein können. Machen wir uns nichts vor: Das Ausmaß, in dem sich Wertschöpfungsketten derzeit fragmentieren, hatte niemand auf der Agenda. Niemand hatte gedacht, dass nicht die Nachfrage die Wachstumsbremse sein würde, sondern das Angebot. Es sind Engpässe, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht kannten und die ein wenig an den Ölpreisschock in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erinnern – mit den bekannten Folgen für die Preisentwicklung.
Inzwischen sind sich alle einig: Eine Rückkehr zum reibungslosen Welthandel der Vor-Corona-Zeit wird es so schnell nicht geben – ganz gleich, wie sich die Pandemie weiterentwickelt. Die Frage ist nur, wie lange es wie schlimm bleibt. Sicher ist: Die aktuelle Entwicklung wird dauerhafte Folgen für das Verhalten der großen Volkswirtschaften haben. Schon allein aus Sicherheitsaspekten werden viele Länder alles daransetzen, strategisch betrachtet autarker zu werden – wobei wir uns dahingehend glücklich schätzen können, Teil der EU zu sein.
Das alles passiert in einem globalen Umfeld, das ohnehin sehr angespannt ist. Das gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen den USA und China. Wie erwartet brachte die neue US-Regierung zwar generell wieder einen konstruktiveren Ton in die internationalen Beziehungen – aber keine Wende in der China-Politik. Die scharfe Reaktion der USA auf die jüngste Verschärfung im Konflikt zwischen China und Taiwan lässt sogar eine weitere Eskalation befürchten. Und eine solche würde natürlich auch Auswirkungen auf Europa und unsere Wirtschaft haben – welche genau, lässt sich schwer absehen.
Hinzu kommen die Spannungen innerhalb Europas. Die Situation an der Grenze zwischen Polen und Belarus führt uns auf bedrückende Weise vor Augen, dass die Europäische Union mit Konflikten an ihren Grenzen rechnen muss, die auch auf ihr Inneres ausstrahlen. Das stellt die europäische Einheit und auch Europa als Wertegemeinschaft vor den Augen aller Welt auf die Probe. Auch hier sind die Folgen schwer prognostizierbar.
Die internationalen Konflikte werfen leider auch ihren Schatten auf den Kampf gegen die Klimakrise, die größte Herausforderung unserer Generation. Die Ergebnisse des jüngsten G20-Gipfels wie auch der Weltklimakonferenz in Glasgow zeigen: CO2 und Klimarisiken werden zunehmend zu strategischen Standortfaktoren, die sich bisher allerdings schwer bepreisen lassen. Es gibt im Kampf gegen den Klimawandel zwar große Ambitionen, bisher aber keinen verlässlichen Rahmen, keine klaren Programme, keine belastbaren Etappenziele. Klar ist nur eins: Es kommen gigantische Investitionsprogramme auf uns zu.
Vor diesem Hintergrund gibt die rasant steigende globale Staatsverschuldung Anlass zur Sorge. Laut Daten des Internationalen Währungsfonds stiegen die Schulden von Regierungen, Unternehmen und Privathaushalten weltweit im vergangenen Jahr auf 226 Billionen Dollar. Das ist der höchste Stand aller Zeiten, und auch der Anstieg um 27 Billionen Dollar im Vergleich zum Vorjahr ist beispiellos. Bei allem Erfolg der Notmaßnahmen gegen die Corona-Krise ist diese Schuldenlast auf Dauer schlicht nicht tragbar und ein ständiger potenzieller Brandherd für die weltweiten Finanzmärkte. Geld, das wir ausgeben, müssen wir nun einmal erwirtschaften. Dieses Naturgesetz der Volkswirtschaftslehre gilt auch am Ende des Jahres 2021.
Möglich wird die ultralockere Ausgabenpolitik vieler Regierungen erst durch eine ebenso großzügige Geldpolitik, die drastisch in die Preissetzung am Anleihenmarkt eingreift. Doch die hat ihrerseits erhebliche Risiken und Nebenwirkungen: Die Inflation ist weltweit schneller auf dem Vormarsch, als es irgendein Volkswirt vor einem Jahr antizipiert hätte. In Deutschland betrug die Teuerungsrate im Oktober 4,5 Prozent, in den USA sogar über sechs Prozent.
Die Notenbanken gehen davon aus, dass es sich hier um einen temporären Effekt handelt. Diese Meinung teilen unsere Ökonomen nicht. Und mich persönlich macht mit Blick auf die Geldwertstabilität skeptisch, was ich in Gesprächen mit unseren Kunden höre. Sie alle richten sich darauf ein, dass die hohen Inflationsraten länger andauern werden. Und wir wissen, was das heißt: Steigen die Inflationserwartungen, dann steigt in der Regel irgendwann auch die Inflation. Marktteilnehmer fangen an, Preissteigerungen zu antizipieren. Und das wird sich auch auf die Lohnrunden auswirken.
Ich denke, dass die Geldpolitik hier gegensteuern muss – und das eher früher als später. Das vermeintliche Allheilmittel der vergangenen Jahre – niedrige Zinsen bei scheinbar stabilen Preisen – hat seine Wirkung verloren, jetzt kämpfen wir mit den Nebenwirkungen.
Kurzum: Die Folgen dieser ultralockeren Geldpolitik werden sich immer schwerer heilen lassen, je länger die Zentralbanken nicht gegensteuern.
Europas Banken sind robuster geworden und haben das Beste womöglich noch vor sich
Das Umfeld, in dem wir uns bewegen, ist also noch einmal komplexer und unsicherer geworden. Wir leben in einer Welt mit höheren Risiken, politischen Konflikten und wirtschaftlicher Desintegration.
All das vergrößert die strategische Bedeutung von Banken für unseren Standort. In diesem auf Dauer komplexeren Umfeld ist es essenziell, dass eine Volkswirtschaft – und allen voran eine so exportorientierte Volkswirtschaft wie die deutsche und europäische – sich auf starke Banken verlassen kann.
Die gute Nachricht ist, dass unsere Branche heute wesentlich robuster dasteht als noch vor zehn oder 15 Jahren. Wenn es dafür einen Beweis brauchte, dann haben wir diesen in den vergangenen eineinhalb Jahren geliefert. Wir Banken haben in der Corona-Pandemie teils hohe Wertberichtigungen verdauen müssen und sind doch in der Spur geblieben. Und das gilt eben nicht nur für die amerikanischen Banken, die mit Rekordgewinnen glänzen. Nein, auch die Banken in Europa haben sich in den vergangenen Quartalen als krisenfest, stabil und nicht zuletzt profitabel erwiesen. Im laufenden Jahr haben fast alle führenden Institute in Europa deutliche Gewinnsteigerungen erzielt, und viele von ihnen haben die Erwartungen des Marktes übertroffen.
All das, meine Damen und Herren, ist kein Zufall. Während mancherorts der Abgesang auf sie angestimmt wurde, haben viele europäische Banken in den vergangenen Jahren hart daran gearbeitet, um die Rückstände der Finanzkrise zu beseitigen und sich zukunftsfest aufzustellen. Sie haben ihre Geschäftsmodelle angepasst und ihre Kreditbücher bereinigt – der Anteil notleidender Kredite liegt selbst in Italien oder Spanien bei nur noch gut vier Prozent, in Deutschland sogar nur bei einem Prozent. Auf dieser Basis hat die Branche dann ihr Geschäft mit Augenmaß wieder ausgebaut, gleichzeitig die Kapitalausstattung hochgefahren, die Kontrollen verbessert und sich schmerzhafte Kostenprogramme auferlegt.
Das zahlt sich jetzt aus.
Die nächste Etappe der Transformation
Und ich behaupte, dass unsere Branche in Europa das Beste noch vor sich haben könnte. Nämlich dann, wenn wir jetzt die nächste Etappe gehen und uns weiter transformieren.
Das setzt zweierlei voraus: Einerseits müssen wir Banken uns besser auf das veränderte Risikoumfeld und auf Generationentrends wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit einstellen. Andererseits muss das regulatorische Umfeld auch so ausgestaltet sein, dass es der geostrategischen Rolle der Banken gerecht wird.
Lassen Sie mich damit beginnen, was wir Banken selbst tun müssen:
Lange Zeit schien es so, als würde das Bankgeschäft allmählich zu einer Art Standardware. Der Beratungsbedarf wurde in vielen Bereichen geringer, unsere Kunden immer autarker.
Das hat sich grundlegend verändert: Die Notwendigkeit zur digitalen und nachhaltigen Transformation sowie die veränderte globale Landschaft sorgen dafür, dass die Nachfrage nach Beratung wieder steigt – und das rasant. Unsere Aufgabe ist es nun, unsere Kunden als Berater und als Risikomanager durch diese Transformation zu begleiten. Es geht darum, Chancen auszuloten und Risiken abzusichern, Expertise und Netzwerke in den Dienst unserer Kunden stellen. Es geht darum, sie zu begleiten, wenn Finanzierung komplexer wird, weil neue Faktoren wie CO2-Emissionen oder Biodiversität berücksichtigt werden müssen. Es geht darum, Plattformen zu schaffen, die für unsere Kunden diese Komplexität reduzieren.
Kurzum: Wir müssen unsere Kunden mit aller Kraft dabei unterstützen, Antworten auf ihre größten Herausforderungen zu finden und sich zukunftsfest aufzustellen. Und das bedeutet nichts weniger als eine Renaissance der guten, alten Bankberatung.
Nachhaltigkeit als große Chance
Das Megathema Nachhaltigkeit wird dabei immer stärker im Zentrum stehen. Niemand sollte glauben, dass es noch einmal verschwindet. Wer darauf wartet, riskiert seine Daseinsberechtigung und wird irgendwann selbst vom Markt verschwinden.
Das hat auch der Welt-Klimagipfel gezeigt: Es mag sein, dass die politischen Ergebnisse hinter den hohen Erwartungen zurückgeblieben sind. Aber eins sollte uns allen Mut machen: Auf Ebene der Unternehmen und auch der Banken wird nun Ernst gemacht. Das ist in Glasgow eindrucksvoll klar geworden. Ich würde sogar sagen, dass das Thema eine Dynamik entwickelt hat, wie ich sie in mehr als 30 Jahren bestenfalls bei der Digitalisierung erlebt habe.
Während jedoch die Digitalisierung für Banken als Bedrohung gesehen wurde, ist Nachhaltigkeit eine große Chance. Denn wie in der Corona-Pandemie können wir hier Teil der Lösung sein. Man braucht uns – und nicht nur unsere Bilanz, sondern auch unsere Expertise. Und wir Banken tun gut daran, genau hier zu investieren.
Dabei könnten die europäischen Banken von dem Trend zur grünen Wirtschaft besonders profitieren, weil die europäische und erst recht die deutsche Wirtschaft hier besonders gut aufgestellt ist. Wir sind nun mal das Land mit den besten Ingenieuren der Welt. Wir haben die Chance, die nachhaltigen Energie-, Gebäude- und Mobilitätskonzepte der Zukunft zu entwickeln und Europa hier zu einem Marktführer zu machen – auch wenn die Konkurrenz auch bei grünen Technologien zweifellos schärfer geworden ist.
Die Stärke Europas auf diesem Feld spüren wir bereits auf dem Markt für nachhaltige Finanzierungen und Anleihen. Europäische Banken gehören hier zu den Treibern, haben einen deutlich höheren Marktanteil als bei herkömmlichen Bonds. Die Europäische Union ist vom Fleck weg zum führenden Emittenten von grünen Anleihen aufgestiegen – mit Unterstützung der hiesigen Banken. Und das weitere Potenzial ist enorm.
Aber es darf nicht bei einzelnen Initiativen bleiben. Es geht darum, Europa im Zusammenspiel mit Unternehmen, Politik und Wissenschaft als führenden Standort bei der grünen Transformation zu etablieren – ohne dabei die sozialen Komponenten aus dem Auge zu verlieren.
Dafür müssen wir Banken noch einige Hausaufgaben machen – aber eben nicht nur wir. Auch die Politik ist gefragt. Wir brauchen kohärente, einheitlich akzeptierte Vereinbarungen darüber, welche Wirtschaftstätigkeiten als nachhaltig zu betrachten sind, welche wir gemeinsam in die neue umweltfreundlichere Welt mitnehmen können. Wir brauchen eine gemeinsame Sprache, um einen sozialverträglichen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Zukunft zu ermöglichen. Wir brauchen einheitliche Prinzipien und Standards dafür, wie wir Nachhaltigkeit messen, um Transparenz und Vertrauen zu schaffen.
Und noch etwas brauchen wir ganz dringend, um Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit zu werden. Und das ist Kapital. Kapital in einem Umfang, den weder Banken noch Regierungen in Europa allein werden stemmen können. Ich weiß, dass ich mich hier wiederhole, aber ich kann es gar nicht oft genug sagen: Europa braucht einen starken, integrierten Kapitalmarkt.
Meine Damen und Herren ich möchte an einen Mann erinnern, der das schon vor drei Jahrzehnten erkannt hatte. Es ist Hilmar Kopper, der am vergangenen Donnerstag nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben ist. Ich weiß, dass viele von Ihnen unsere Trauer teilen, weil sie Hilmar Kopper, diesem einzigartigen Vorstandssprecher und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden unserer Bank, irgendwann einmal begegnet sind.
Kopper war ein Mann von großem Weitblick. Ihm war schon in den 1990er Jahren bewusst: Eine Bank, die ihre Kunden in alle Welt begleiten und bei großen Projekten unterstützen will, braucht den Zugang zu den globalen Kapitalmärkten. Das zu schaffen, setzte entschiedene und auch mutige Schritte voraus.
Hilmar Kopper hat mit seiner entschlossenen Art die Grundlage für die Deutsche Bank in ihrer heutigen Form gelegt. Wir sind eine der sehr wenigen Banken in Europa, die weltweit für ihre Kunden da sein können, und die einzige deutsche Bank mit dieser tiefen Kapitalmarktexpertise. Das ist auch Hilmar Koppers Verdienst, dem immer klar war, dass wir diese Fähigkeiten in Europa brauchen und dieses strategisch wichtige Feld nicht ausländischen Banken allein überlassen dürfen.
Meine Damen und Herren, dies gilt in komplexen Zeiten wie den heutigen umso mehr. Und ich wünsche mir, dass wir im Sinne Hilmar Koppers nun auch alles dafür tun, dass Europa selbst endlich einen starken, gemeinsamen Kapitalmarkt bekommt – nicht zuletzt, um die nachhaltige Transformation zu finanzieren, die wir vor uns haben. Ohne Kapitalmarktunion, davon bin ich überzeugt, wird es keinen Green Deal geben. Oder positiv ausgedrückt: Es gibt kein kostengünstigeres grünes Konjunkturprogramm für Europa als die Kapitalmarktunion.
Das heißt natürlich auch, dass wir große und starke Banken in Europa brauchen, die auf dem Kapitalmarkt für ihre Kunden agieren können. Genau dafür brauchen wir eine Bankenunion. Und genau dafür müssen wir auch in Deutschland Kompromisse eingehen. Wenn es künftig transeuropäische Banken geben soll, muss es auch eine gemeinsame europäische Einlagensicherung geben.
Leider hat es bei diesem Thema viel zu lange Zeit keine Fortschritte gegeben. Umso mehr freue ich mich, dass Finanz-Kommissarin Mairead McGuinness die Debatte mit einem Aufruf zur Vollendung der Bankenunion jüngst wieder eröffnet hat. Unsere Unterstützung ist ihr sicher, und wir freuen uns auf einen konstruktiven Dialog mit Brüssel.
Strukturelle Nachteile für EU-Banken
Damit bin ich bei der zweiten Voraussetzung, die es braucht, damit wir Banken die Transformation unserer Kunden erfolgreich begleiten können. Und das ist Rückenwind von politischer und regulatorischer Seite.
Hier spreche ich jetzt nicht von der Zinspolitik und der Zinsschere zu anderen Währungsräumen, die uns in der Euro-Zone sehr schmerzt und inzwischen zu einem großen Wettbewerbsnachteil geworden ist.
Nein, es gibt noch mindestens drei Wettbewerbsnachteile, die substanziell sind oder zumindest substanziell werden könnten:
Als Folge liegen nun schon 52 Milliarden Euro ungenutzt in dem Fonds. Trotzdem plant die EU, die Beiträge für 2022 und 2023 in voller Höhe zu erheben, wodurch die ursprüngliche Zielgröße des Fonds von 55 Milliarden Euro weit überschritten würde. Und das in einer Zeit, in der wir dringend Kapital brauchen.
Wie könnten wir das lösen?
Die EU-Kommission hat hier jüngst einen Vorschlag gemacht, wie der EU-Aufsichtsrahmen geändert werden könnte. Wir haben darin einiges Positives gefunden. Insbesondere berücksichtigt der Entwurf die besondere Natur des europäischen Bankenmarkts, etwa den hohen Anteil wenig riskanter Hypotheken an den Kreditportfolios oder die wirtschaftliche Bedeutung kleiner und mittelgroßer Unternehmen. Auch die längeren Übergangsfristen helfen der Branche natürlich. Andererseits sind viele der Ausnahmeregelungen vorläufig, und es gibt keine Rechts- und Planungssicherheit. Und unter dem Strich sind die zusätzlichen Kapitalanforderungen immer noch signifikant.
Schluss
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen die Gesamtlage geschildert, wie sie sich mir darstellt – habe über das Umfeld gesprochen, das von Risiken und Unsicherheit geprägt ist, uns aber auch große Chancen bietet.
Um diese Chancen zu nutzen, brauchen wir starke Banken – Europa braucht starke Banken. Banken, die nicht nur profitabel sind, sondern entschlossen, die Herausforderungen angehen, die vor uns liegen. Und wir brauchen auch europäische Investmentbanken, die so aufgestellt sind, dass sie Europas Unternehmen wirksam unterstützen können.
In den kommenden Jahren müssen strategische Entscheidungen getroffen werden, die das wirtschaftliche Kräfteverhältnis der nächsten Jahrzehnte bestimmen werden. Da dürfen wir in Europa das Heft des Handelns nicht aus der Hand geben. Die Stärke des Bankensystems ist längst zu einem geopolitischen Wettbewerbsfaktor geworden. Entsprechend sollten wir es auch behandeln.
Dafür braucht es ein enges Zusammenspiel von Banken und ihren Kunden, aber auch von Banken, Regulatoren und Politik.
Europa ist auf dem Prinzip der Zusammenarbeit aufgebaut. Und diese ist auch der Schlüssel für die Zukunft. In einer Welt, in der sich die globalen Gewichte verschieben, werden diejenigen Erfolg haben, die bereit sind, eng zu kooperieren und eine starke Wertegemeinschaft zu schaffen. Und ich plädiere deswegen so sehr für eine noch tiefere Integration unseres Kontinents, weil ich überzeugt bin, dass wir nur wachsen und den Wohlstand mehren können, wenn wir das Gemeinsame und Vereinende Europas in den Vordergrund stellen. Weil wir Europa nur so den Weg in eine politisch und wirtschaftlich starke Zukunft ebnen.
Diesen Weg müssen wir aber auch entschlossen beschreiten. Wir sind in Europa oft noch zu zögerlich, wenn es darum geht, unsere eigene Zukunft zu gestalten. Was wir brauchen, ist eine andere Haltung. Lassen Sie uns die Dinge jetzt anpacken – mit einem klaren Plan und diszipliniert und kraftvoll in der Umsetzung.
Wir Banken stehen bereit, um den Weg mitzugehen – als starker Partner und Teil der Lösung.
Herzlichen Dank.
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