„Bei der Senkung der CO2-Emissionen kommt es auf Städte an“
Städte nachhaltig zu machen, ist eine enorme Herausforderung. Claire Coustar, unsere Leiterin für nachhaltige Finanzierungen im Bereich FIC erklärt, welche Rolle Finanzmärkte spielen können und was die Deutsche Bank bereits tut.
Claire, Städte werden oft als „Schlüsselakteure“ bezeichnet, um CO2-Emissionen zu senken. Warum?
Städte sind einer der Hauptverursacher von Kohlenstoffemissionen. Also kommt es bei der Senkung der CO2-Emissionen auf sie an. Sie haben einen großen Hebel, zum Beispiel wenn sie Gebäude bauen, renovieren oder neue öffentliche Verkehrsmittel anschaffen. Städte können sich für den Kauf nachhaltiger Materialien und Produkte entscheiden. Daneben können sie wirksame politische Maßnahmen ergreifen und den Übergang zu Netto-Nullemissionen zu einem festen Bestandteil der Stadtplanung machen.
Haben Sie etwas Bestimmtes im Sinn?
Im Vereinigten Königreich verursachen Wohnhäuser jedes Jahr mehr CO2-Emissionen als alle Autos des Landes. Das liegt hauptsächlich an den Gasheizungen und schlechter Isolierung. Städte können dagegen steuern, indem sie Solaranlagen für Privathäuser unterstützen, energetische Sanierungen fördern und Maßnahmen für erschwinglichen Wohnraum mit guten Energiestandards kombinieren. Sie können energiesparende Straßenbeleuchtung einsetzen, Grünflächen anlegen und die Infrastruktur für E-Autos ausbauen.
Im Vereinigten Königreich verursachen Wohnhäuser jedes Jahr mehr CO2-Emissionen als alle Autos des Landes
Was können die Finanzmärkte tun, um diese Transformation zu unterstützen?
Es gibt viele Möglichkeiten, wie die Finanzmärkte helfen können. Nachhaltige Anleihen oder Kredite sind ein gutes Beispiel. Bei grüner und nachhaltiger Finanzierung wird der Emittent – es kann eine Stadt, eine Gemeinde oder ein Staat sein – die Erlöse zur Finanzierung von Projekten verwenden, die zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen. Der Zugang zu verschiedenen Finanzprodukten kann für Städte und Regionen ein mächtiges Instrument sein, um die Transformation voranzutreiben.
Können Sie diesen letzten Gedanken erläutern?
In den Vereinigten Staaten gibt es beispielsweise einen ausgefeilten Kapitalmarkt generell und im speziellen einen riesigen Verbriefungsmarkt für Kredite. Der größere Verbriefungsmarkt erleichtert Klimakredite – zum Beispiel für Solaranlagen auf Wohngebäude und Elektroautos. Dies wiederum fördert die Entwicklung von klimafreundlichen Investitionen. Europa ist hingegen in erster Linie ein bankfinanzierter Markt.
Was ist mit den Entwicklungsländern?
Wir sehen, dass Schwellenländer verstärkt grüne Taxonomien entwickeln. Johannesburg war eine der ersten Städte, die 2014 eine grüne Anleihe an der lokalen Börse auflegte. Ein weiteres Beispiel ist die erste an Nachhaltigkeit gebundene Staatsanleihe Chiles. Das Land Belize hat letztes Jahr einen „Debt-for-Nature-Swap“ durchgeführt. Bei einem solchen Swap kaufen Investoren die Schulden eines Entwicklungslandes zu günstigen Konditionen. Im Gegenzug verpflichtet sich das Land zu Naturschutzprojekten.
Der größere Verbriefungsmarkt erleichtert Klimakredite
Klingt so als hätten wir die nötigen Instrumente. Was fehlt derzeit?
Der Bedarf an Finanzierung für diese Umstellung ist enorm, aber die Gesetze unterstützen häufig nicht die Investitionsströme. Politische Maßnahmen zu erneuerbaren Energien, dem Ausstieg aus der Nutzung von Dieselfahrzeugen oder Renovierungen müssen mit den wachsenden Kapital- und Investitionsströmen in Einklang gebracht werden.
Wie verändert dieser enorme Wandel die Arbeit in der Deutschen Bank?
Die Art und Weise, wie wir unser Geschäft betreiben, ändert sich gerade grundlegend. Wir haben uns ehrgeizige Ziele für nachhaltige Finanzierungen gesetzt. Dazu gehört es, unsere Kunden bei ihrer Transformation zu unterstützen. Kürzlich haben wir unsere finanzierten CO2-Emissionen veröffentlicht. Im Laufe des Jahres werden wir Ziele für die Dekarbonisierung unseres Unternehmenskreditportfolios festlegen.
Die Art und Weise, wie wir unser Geschäft betreiben, ändert sich gerade grundlegend
Haben Sie persönlich schon einmal so eine grundlegende Veränderung erlebt wie die aktuelle Transformation?
Einen solchen Wandel, wie wir ihn gerade erleben, habe ich sicherlich noch nie erlebt. Die Finanzkrise hatte auch enorme Auswirkungen, allerdings in erster Linie auf die Finanzmärkte. Die aktuelle Entwicklung verändert die gesamte Wirtschaft und die gesamte Wertschöpfungskette unserer Kunden. Sie in dieser Situation zu unterstützen, ist eine anspruchsvolle und spannende Aufgabe.
Das Interview führte Georg Berger.
Über Claire Coustar
Claire Coustar leitet bei der Deutschen Bank in der Abteilung für festverzinsliche Wertpapiere und Währungen (FIC = fixed income & currencies) den Bereich Nachhaltige Finanzierungen. Sie ist seit 2003 in unterschiedlichen Positionen in der Investment Bank tätig. Claire hat einen Bachelor of Science vom Babson College mit den Schwerpunkten Finanzen, Wirtschaft und International Business.
Sie vertritt die Deutsche Bank in der Net Zero Banking Alliance, ist Mitglied des Group Sustainability Council und vertritt die Investment Bank im Green Bond Forum der Deutschen Bank.
Georg Berger
… will wissen, wie und mit welchen Technologien wir schnell Netto-Null-Emissionen erreichen – und wie sich die enormen Investitionen finanzieren lassen, die dafür nötig sind.
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