Gut gewappnet für die Zukunft
Das große Ziel: Widerstandskraft erhöhen und schwierige Situationen unbeschadet überstehen. Strategien, wie Unternehmen das gelingen kann, sind so vielfältig wie die Faktoren, die auf sie einwirken. Ein Überblick – vom Wagnis bis zur glücklichen Fügung.
Vom Wagen und Wägen
In den Jahren 1870 bis 1872 entstanden in Deutschland 107 Aktienbanken. Es herrschte Hochkonjunktur, die Wachstumschancen schienen unbegrenzt. Am Ende des Jahrzehnts waren zwei Drittel dieser Neugründungen bereits wieder Geschichte. Untergegangen im „Gründerkrach“, der 1873 die Finanzmärkte in Europa und den USA erschütterte.
Die Deutsche Bank, ebenfalls ein Kind dieser Zeit, hatte sich von allzu riskanten Geschäften weitgehend ferngehalten und sich auf ihre Hauptaufgabe konzentriert: Die Außenhandelsfinanzierung. So überlebte sie den Sturm und mehr noch: Sie ging gestärkt aus der Krise hervor. Das Erfolgsrezept von Wagen und Wägen spiegelte sich auch im Führungsgespann wider: auf der einen Seite Georg von Siemens, der vor Unternehmergeist sprühende innovative Banker, auf der anderen Seite der erfahrene, zur Vorsicht mahnende Hermann Wallich. Für letzteren stand 1904 fest: „Von diesem Zeitpunkt datiert der Ausgangspunkt der großartigen Entwicklung, die die Deutsche Bank genommen hat und die, ungeachtet kleiner unvermeidlicher Nackenschläge, nicht mehr aufzuhalten war.“
Der richtige Riecher
Als der Erfinder Werner von Siemens zusammen mit Johann Georg Halske 1847 die Telegraphen-Bau-Anstalt Siemens & Halske gründete, konnte niemand ahnen, dass sich hieraus einmal ein Weltkonzern entwickeln würde. Das Erfolgsgeheimnis, das bereits seit über 175 Jahren trägt? Der richtige Riecher für das, was morgen technisch gefragt sein könnte. So dachte Siemens beispielsweise früh über elektrische Hochbahnen nach, um die wachsenden Großstädte vom Verkehr zu entlasten. Schon 1879 stellte Siemens & Halske die weltweit erste elektrische Eisenbahn vor und realisierte ab 1897 die Berliner Hoch- und Untergrundbahn.
Was Anfang des 20. Jahrhunderts in den Werken rund um Berlin startete, wurde ab 1905 an zentraler Stätte in einer speziellen Abteilung für Forschung & Entwicklung gebündelt. Siemens ist Meister darin, sich immer wieder neu zu erfinden und spielt heute in der ersten Liga, wenn es um die Digitalisierung von Industrie und Infrastruktur, moderne Bahn- oder Medizintechnik geht. Denn: Innovationen sind Erfolgsfaktor und Krisenschutzschild zugleich.
Besinnen auf eigene Stärken
Am Ende des Zweiten Weltkriegs stand die Deutsche Bank am Rand ihrer Existenz. Die meisten Standorte waren beschädigt oder zerstört, Einlagen und Wertpapiere weitgehend wertlos, das Auslandsgeschäft zusammengebrochen.
Die Resilienzforschung lehrt, dass Unternehmen in Zeiten elementarer Krisen versuchen, ihr Überleben durch innere Stabilisierung zu sichern. Zwei Aktiva waren geblieben: zum einen das erstklassige Management und Personal mit seinem Wissen und Zusammengehörigkeitsgefühl – technisch: das Humankapital. Ein Ausnahmebanker wie Hermann J. Abs steht dafür exemplarisch. Zum anderen der gute Name „Deutsche Bank“. Zwar durfte unter diesem Namen über ein Jahrzehnt kein Bankgeschäft betrieben werden, denn die Siegermächte hatten die Bank in regionale Nachfolgeinstitute zerschlagen. Doch jede Geschäftsanzeige dieser Teilbanken warb in dieser Zeit mit dem Zusatz: „Früher Deutsche Bank“.
Als 1957 die Deutsche Bank als Gesamtinstitut wiedererstand, waren Netzwerke und Geschäftsbeziehungen dank des Zusammenhalts der inneren Struktur bereits wieder geknüpft.
Kräfte bündeln
Starke Marke, schwache Zahlen: Smart fuhr seit seiner Einführung im Jahr 1998 Verluste ein. Smart musste sich neu erfinden, um zu überleben – aber wie? Daimler-Großaktionär Geely, ein chinesischer Automobilhersteller, schlug 2020 ein „Joint Venture“ vor, einen Zusammenschluss für ein gemeinsames Projekt. Das Ziel: Die neue Generation des Smart sollte in die nächste Kompaktwagengröße aufrücken und ein rein elektrisches Fahrzeug der Premiumklasse sein.
Die Kooperation wurde besiegelt: Daimler brachte die Marke und das Design ein, während Geely Technik, Entwicklung und Produktion übernahm. Ein Gewinn für beide Seiten. Geely profitiert vom etablierten Markennamen und Größeneffekten, Daimler vor allem von den Zugängen zum chinesischen Markt und dem Know-how eines digitalen Direktvertriebs.
Im April 2022 stellten die Partner den neuen Smart vor – ein rein elektrischer, vorrangig für den Stadtverkehr konzipierter SUV. Nicht mehr ganz so klein und unkonventionell, dafür umso leistungsstärker. Daimler und Geely setzten damit ein gemeinsames Ausrufezeichen im Markt.
Unabdingbar: Glück
Ein glückliches Händchen als Resilienzfaktor? Die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen und im Leben eines jeden Menschen. Diesen günstigen, alles entscheidenden Augenblick nennt man auch „Kairos“. Die griechische Mythologie beschreibt Kairos als Gottheit, von deren kahlem Kopf eine einzige Locke in die Stirn fällt. Es ist die personifizierte Gelegenheit, die es sprichwörtlich am Schopfe zu packen gilt. Im Fluss der Zeit ist dieser Moment von besonderer Bedeutung und Tragweite – glücklich ist, wer das erkennt.
Mehr zur Geschichte der Deutschen Bank
Bilder machen die Vergangenheit lebendig – dank unserer Archive ist das möglich: Das Historische Institut der Deutschen Bank setzt sich seit Jahrzehnten durch eigene und externe Forschung kritisch mit der Geschichte der Deutschen Bank auseinander. Zu diesem Zweck bewahrt es die historisch wichtigen Quellen auf.
Die Historische Gesellschaft der Deutschen Bank e.V. bringt seit 1991 die Geschichte des Bankwesens und seines politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Umfelds einem breiten Publikum näher.
Antje Schmaus
… mag die vielfältigen Aufgaben in der Bank – die Projektarbeit für What Next ist eine davon. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der internen Kommunikation. Sie interessiert sich für die Lehren der Geschichte – und wie man daraus das Rüstzeug für die Zukunft schmiedet.
Den Schatz der Erfahrung hat sie in diesem Fall gemeinsam mit Reinhard Frost vom Historischen Institut der Deutschen Bank gehoben.
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