Künstliche Intelligenz für mutige Entscheidungen
Technologien, die unter dem Begriff „künstliche Intelligenz“ zusammengefasst werden, stellen bereits jetzt ganze Branchen auf den Kopf. Wer morgen noch mitspielen will, muss heute die Weichen stellen. Was dabei wirklich wichtig wird.
Die Welt in der digitalen Transformation
Künstliche Intelligenz (KI) ist wohl die eine Technologie, die die größten Hoffnungen und gleichzeitig die tiefsten Ängste unserer Zeit auslöst. Beides wird durch die spektakulären Fortschritte in den vergangenen Jahren befeuert. Klar ist: Sie dürfte eine Schlüsselrolle spielen bei der Bewältigung der größten Probleme des 21. Jahrhunderts wie Klimawandel und Pandemien.
Und sie weckt große wirtschaftliche Erwartungen. Prognosen beziffern den potenziellen Einfluss der KI auf die Weltwirtschaft bis 2030 auf schwindelerregende 13 bis 16 Billionen US-Dollar.
KI ist die Zukunft
KI wird nicht nur die Art und Weise, wie wir in Zukunft leben und arbeiten, sondern auch Unternehmen und ganze Branchen maßgeblich verändern. Neben anderen Schlüsseltechnologien wie Blockchain und Internet of Things gehört sie zu den Bausteinen künftiger IT-Systeme. KI umfasst Technologiebereiche wie Maschinelles Lernen (ML), sogenannte Deep Networks, aber auch Sprachverarbeitung (NLP) und Semantische Technologien (Textanalyse). Diese werden immer präziser und entsprechen mittlerweile den menschlichen Fähigkeiten – in manchen Einsatzbereichen erreichen sie eine Genauigkeit von mehr als 90 Prozent.
Doch KI wirkt nicht nur in der Tiefe, sondern auch in der Breite: Jede Branche kann mit ihrer Hilfe intelligente Anwendungen entwickeln und in jedem Teil eines Unternehmens Mehrwert schaffen. KI ist „smart“ – sie kann lernen und Feedback integrieren. Sie ist sogar in der Lage, ad-hoc auf spezifische Bedürfnisse von Kunden*innen zu reagieren und individuell passende Angebote zu machen. Beispiele finden sich überall: in der Modebranche wie der Landwirtschaft (Smart Farming), der Schwerindustrie wie der öffentlichen Verwaltung.
Milliardeninvestitionen für Spitzenreiter
Im Wettbewerb um die globale Führung bei Zukunftstechnologien wie der künstlichen Intelligenz sehen die meisten Beobachter ein Wettrennen der Weltmächte USA und China. Das zeigt sich unter anderem bei der Verfügbarkeit von privatem Investitionskapital: Auch hier sind die USA und China führend, gefolgt vom Vereinigten Königreich und Israel.
Europa hingegen bringt zwar sogenannte KI-Exzellenz hervor, hat jedoch Schwierigkeiten, Start-ups auf eine relevante Größe zu skalieren. Es fehlen genügend Risikokapital und Finanzierungen, um die jungen Unternehmen über die Entwicklungsphase hinaus zu großen Erfolgen zu führen. Sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene wäre erheblich mehr finanzielle Schlagkraft nötig, um die Investitionslücke gegenüber China und den USA zu schließen.
Europa auf der letzten Bank?
Und auch wenn die EU eine große und vielfältige Industrie- und Forschungslandschaft hat, ist sie in digitaler Hinsicht fragmentiert. Ein Nachteil für europäische Unternehmen?
Ein Blick auf das aktuelle Ranking der Top 100 global KI Start-ups zeigt die Auswirkungen: Die hier gelisteten vielversprechenden Start-ups stammen aus zwölf Ländern und repräsentieren 18 Branchen, und sie stehen für ein breites Spektrum an sektorenübergreifenden Anwendungen.
Die Produkte, die die diesjährigen Gewinner auf den Markt bringen – von der Arzneimittelforschung und -entwicklung über das Umsatz-Management von Krankenhäusern bis hin zu autonomer Imkerei und intelligentem Abfallmanagement von Kommunen – verdeutlichen den tiefgreifenden Einfluss von KI auf alle Sektoren. Junge Unternehmen aus der EU sind auf dieser Rangliste nur spärlich vertreten: Polen, Frankreich, Dänemark und die Tschechische Republik stellen je ein Start-up, aus Deutschland kommen zwei.
Lernende Systeme brauchen Experten
Auch mit Blick auf die Ausbildung haben die USA die Nase vorn: Weltweit gibt es dort mehr auf KI spezialisierte Masterstudiengänge als in jeder anderen Region. Europa (EU 27) nimmt den zweiten Platz ein – vor dem Vereinigten Königreich. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Abwanderung von Akademikern und Studenten in die USA und auch nach China den meisten europäischen Ländern Sorgen bereitet.
Ein vielleicht überraschendes Bild zeichnet der KI-Einstellungsindex, der sich aus den Angaben von LinkedIn-Mitgliedern errechnet: Er wird von Brasilien, Indien, Kanada und Singapur angeführt. Unter den europäischen Ländern weist Deutschland den höchsten KI-Einstellungsindex auf, gefolgt vom Vereinigten Königreich, Italien und Frankreich.
Die richtige Balance
Daten sind die Grundlage für digitale Innovationen. Ohne sie kann KI nicht lernen, genauer: können ihre Algorithmen nicht besser werden, können keine neuen Anwendungen und KI-basierten Geschäftsmodelle entstehen. Unternehmen und Länder mit weitreichendem Zugang zu Daten haben damit einen echten Wettbewerbsvorteil. Doch wie kann Innovation mit Datenschutz und Privatsphäre in Einklang gebracht werden?
Datenschutz kann allerdings ein echter Erfolgsfaktor für Unternehmen sein. Hier hat die EU die Nase vorn: Mit ihren Datenschutzbestimmungen, die auf Persönlichkeitsrechten basieren, hat sie weltweit neue Standards gesetzt und ist internationales Vorbild für Technologie-Regulierung geworden. Doch die rasante technologische Entwicklung droht die aktuelle Gesetzgebung schon wieder zu überholen. Forderungen werden laut, die europäische Datenschutzgrundverordnung zu modernisieren. Brauchen wir eine DSGVO 2.0?
Andere Länder dagegen setzen auf restriktive Regulierung und Zensur. Dies sind die Schattenseiten einer fehlgeleiteten Datenschutzpolitik, und sie stehen im Gegensatz zu freien Gesellschaften und einer offenen, regelbasierten und innovativen globalen digitalen Wirtschaft.
Die Weichen klug stellen
Öffentlich verfügbare KI-Ressourcen sind in den vergangenen Jahren exponentiell gewachsen. Cloud-Plattformen machen es Unternehmen immer leichter, die neuesten Technologien zu erkunden und eigene KI-Modelle und -Algorithmen zu entwickeln.
Doch die Fähigkeit, von KI zu profitieren und diese Ergebnisse zu maximieren hängt davon ab, wie Unternehmen in der Lage sind, ihr Geschäftsmodell digital zu transformieren. Eine geeignete Infrastruktur und verfügbare Schnittstellen von IT-Systemen sind wichtige Voraussetzungen.
Doch das ist nicht genug: erst qualifizierte Mitarbeiter, unterstützendes Management und eine entsprechende Unternehmenskultur und -führung machen KI-Projekte zukunftsfähig. Auch bereichsübergreifende Zusammenarbeit ist gefragt: Fachleute mit fundierten Kenntnissen von Branchen und Geschäftsprozessen müssen sich mit KI-Experten zusammentun, die die beste technologische Lösung identifizieren können.
Viele Unternehmen allerdings haben noch keine KI-Projekte gestartet und weder ihr Wissen noch ihre Daten abgebildet. Doch die digitale Transformation von Geschäftsmodellen beschleunigt sich weiter – und wer zu lange wartet läuft Gefahr, nicht aufholen zu können.
Zwischen Chance und Disruption
Auf Organisationen, Unternehmer und Investoren warten also immense neue Chancen – aber auch Gefahren.
KI ist ein Hauptantrieb für neue Technologien wie das Internet der Dinge und intelligente Anwendungen in allen Branchen. KI-getriebene Unternehmen können ihren Kund*innen intelligente Dienste und Produkte anbieten. Der unternehmerische Erfolg der Zukunft wird von der sogenannten KI-Readiness abhängen - der Bereitschaft, vor allem die eigene Unternehmenskultur auf allen Ebenen neu auszurichten und Daten und Prozesse neu zu denken.
Digitale Vorreiter sind erfolgreicher als andere, auch in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie. Die Einführung von KI wird in Zukunft über den Wettbewerbsvorteil von Unternehmen entscheiden. Innovative Köpfe werden Unternehmen gestalten, die die Chancen, die sich hier bieten, gewinnbringend nutzen.
Maike Tippmann
ist fasziniert von der Geschwindigkeit, mit der die Technologie namens „künstliche Intelligenz“ in allen Lebensbereichen an Bedeutung gewonnen hat. Wie deren Einfluss auf Unternehmen und die wirtschaftliche Entwicklung der nahen Zukunft aussehen wird, hat sie bei ihren Kollegen von Deutsche Bank Research in Erfahrung gebracht.
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