Wie die Cloud im Verborgenen unsere Wirtschaft revolutioniert
Die Cloud-Technologie ermöglicht neue Geschäftsmodelle, viele Privatleute nutzen sie. Lange galt sie als „Technologie im Hintergrund“. Wir zeigen die neuen Möglichkeiten – und worauf man besser achten sollte.
Ihr Potenzial gilt als enorm: Sie soll das Arbeiten flexibler, schneller und produktiver machen, Start-Ups den Aufbau von eigener Infrastruktur ersparen und Privatleuten mehr Komfort bieten. Die Rede ist von der Cloud-Technologie. Experten der Unternehmensberatung McKinsey gehen davon aus, dass Unternehmen das enorme Potenzial bisher nicht ansatzweise ausschöpfen, sondern noch immer an der Oberfläche kratzen.
2030 rechnen sie allein für die Fortune-500-Firmen mit mehr als einer Billion Dollar an möglichen Erträgen – vor allem aufgrund von Einsparpotenzialen und neuen Geschäftsmöglichkeiten. Die Zahl werde sogar noch steigen, da die Cloud die Nutzung aufkommender Technologien wie Blockchain und „erweiterte Realität“ (augmented reality) ermögliche. Das bedeutet: Arbeitskräfte in dem Bereich sind heiß begehrt. So werden in der Technologie-Branche 2030 etwa 4,3 Millionen IT-Fachkräfte fehlen wie das Korn Ferry Institut ermittelt hat.
Diesen Fachkräftemangel sieht auch Chaitra Vedullapalli. Vedullapalli ist Mitbegründerin und Marketingchefin von Meylah, einem US-Unternehmen, das Firmen hilft, sich durch die Cloud zu modernisieren. Für sie verlangsamt der Mangel an Fachkräften zwar derzeit den Umstieg. Dennoch sieht sie die Cloud-Technologie als aktiven Treiber, der die Wirtschaft digitalisiert. Denn: Jedes Unternehmen und jede Führungskraft wolle sie jetzt nutzen.
Ein ähnliches Bild zeigt auch der Cloud-Monitor der Unternehmensberatung KPMG. Demzufolge nutzen 84 Prozent der Firmen in Deutschland mit 20 und mehr Beschäftigten Cloud-Computing, während weitere 13 Prozent an der Schwelle zum Eintritt in die Cloud stehen.
Wie die Cloud Geschäftsmodelle verändert oder erst ermöglicht
Beispiele dafür, wie Firmen die Cloud nutzen, gibt es genug. Und das von Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen, Regionen und unterschiedlicher Größe. In diesem Dossier haben wir uns die Geschichte von Chileaf angesehen, einem kleinen chinesischen Unternehmen, das smarte Fitnessgeräte herstellt. Um seine Herzfrequenzmesser und Smartwatches nach Europa und in die USA zu verkaufen, nutzt Chileaf die Dienstleistungen des chinesischen Fintechs XTransfer.
XTransfer bietet in Zusammenarbeit mit multinationalen Banken Zahlungseingangskonten an, über die kleine chinesische Händler Zahlungen in mehr als 200 Ländern und Regionen erhalten können. Dabei nutzt das Start-Up ein ausgeklügeltes, digitales System, um Betrugsfälle und Geldwäsche zu verhindern. Grundlage dafür ist die Cloud-Technologie: Sie bietet die enorme Rechenleistung, die es XTransfer ermöglicht, die Zahlungsströme der Kunden automatisiert auf Verdachtsfälle zu überprüfen.
Die junge Firma XTransfer betont noch einen weiteren Vorteil der Cloud: Flexibilität. Wenn das Start-Up stark wächst, kann es zusätzliche Kapazitäten anmieten oder sie reduzieren, wenn es sie gerade nicht benötigt.
Diesen Vorteil der Cloud schätzen auch große Firmen wie die Deutsche Bank. Sie möchte die Cloud künftig für den Großteil ihrer Anwendungen nutzen und damit auch neue Lösungen entwickeln. Dafür ist die Bank im Dezember 2020 eine strategische Partnerschaft mit Google Cloud eingegangen. Genutzt wird die Technologie zum Beispiel für die Entwicklung einer neuen Online-Banking-Plattform.
Wenn wir heute eine gute Idee haben und sie ausprobieren möchten, können wir direkt loslegen.
Samira Lauer, die in der Deutschen Bank ein Team von Softwareexperten leitet, das an dieser Neuentwicklung arbeitet, schätzt vor allem den Geschwindigkeitsvorteil der Cloud-Technologie. „Früher musste man mehrere Monate bis teilweise zu einem Jahr im Voraus planen, wenn man ein Produkt oder eine neue Funktion entwickeln wollte“, sagt sie. „Wenn wir heute eine gute Idee haben und sie ausprobieren möchten, können wir direkt loslegen. Wir sehen dann auch relativ schnell, was funktioniert und was eventuell nicht.“
Wie nachhaltig ist die Cloud-Technologie?
Flexibilität, Geschwindigkeit, Skalierbarkeit – wegen dieser Vorteile setzen nicht nur die Deutsche Bank und Xtransfer, sondern auch zahlreiche andere Firmen auf die Cloud. Es lohnt sich also ein genauer Blick auf die Technologie, hinter der tatsächlich noch immer ganz reale, physische Rechenzentren stehen. Diesen genaueren Blick hat uns das französische Unternehmen Data4 ermöglicht. Data4 betreibt 27 Rechenzentren in Frankreich, Italien, Spanien, Luxemburg und Polen und gehört zu den europäischen Marktführern in der Branche.
Vor dem Hintergrund wachsender Datenmengen und der dafür benötigten Energie treibt Data4 vor allem eine Frage um: Wie kann man diese Rechenzentren nachhaltig betreiben? In dieser Hinsicht hat das französische Unternehmen bereits in der Vergangenheit einige Erfolge erzielt. Obwohl das Rechenvolumen zwischen 2010 und 2018 um 550 Prozent stieg, nahm der Energieverbrauch nur um 6 Prozent zu.
Doch auch Data4 ist klar, dass weitere Innovationen erforderlich sind, damit Rechenzentren künftig nachhaltig und effizient betrieben werden können. Dafür setzt die Firma auf erneuerbare Energiequellen und KI.
Und was ist mit meiner Privatsphäre?
Neben Nachhaltigkeitsaspekten wird auch die Frage nach der Sicherheit der Daten über die Akzeptanz der Cloud entscheiden. Gerade bei Privatpersonen. Darüber haben wir mit Carsten Fischer, dem stellvertretenden Chef für Cybersicherheit bei der Deutschen Bank, gesprochen. Fischer ist der Meinung, dass die Cloud sicherer daherkommt als herkömmliche Anwendungen.
Denn die Anbieter von Cloud-Dienstleistungen hätten sich auf Sicherheit spezialisiert. Außerdem ziehen sie gute Leute an und verfügen über Budgets, die solche von herkömmlichen Firmen „bei weitem übersteigen“. Unternehmen könnten zudem mit Cloud-Anbietern vertraglich vereinbaren, dass die Daten europäischer Kund*innen auch in Europa bleiben. Welche zwei praktischen Tipps er für Privatnutzer hat, lesen Sie in unserem Interview mit ihm.
Georg Berger
… interessiert sich für die Cloud in all ihren Facetten: für ihre Fähigkeit, Geschäftsmodelle weltweit grundlegend zu verändern, aber auch ihre Risiken für den Datenschutz. Vor allem fragt er sich, wie Technologien mit einem solchen Potenzial mit geringem CO2-Fußabdruck genutzt werden können.
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