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13. Dezember 2022
90 Prozent aller Güter werden per Schiff transportiert – ohne Schifffahrt keine Globalisierung. Allerdings fahren die Ozeanriesen überwiegend mit fossilen Brennstoffen – und tragen so erheblich zum weltweiten CO2-Ausstoß bei. Das soll sich ändern. Doch wie konnte die Transportschifffahrt so erfolgreich werden?
Wie eine 20-Fuß große Box den Welthandel umkrempelt
Es gab Zeiten, verbrachten Transportschiffe mehr Zeit im Hafen als auf dem Wasser. Doch druch die simple, aber geniale Erfindung des stapelbaren Standard-Containers Mitte der 50er Jahre konnten Schiffe nun mit größeren Mengen beladen und mit Hilfe von Kränen im Hafen deutlich schneller entladen werden. Und zwar direkt auf den Zug oder den LKW. Damit sanken insgesamt die Kosten für den Transport über das Meer erheblich.
Den genormten Container gibt es heute für die unterschiedlichsten Produkte und Rohstoffe: für Flüssigkeiten oder Gasgemische, mit Kühlung und für normales Stückgut wie Fernseher, Halbleiter oder Kinderspielzeug.
Mit dem Erfolg wurden über die Jahre auch die Schiffe immer größer und länger: waren sie in den 1960er Jahren etwa 180 Meter lang, so messen die größten Schiffe heute 400 Meter und können mehr als 20.000 Standard-Container aufnehmen.
2019, also im Jahr vor der Corona-Pandemie, betrug die weltweite Containertransportmenge 150 Millionen TEU (Twenty foot Equivalent Unit; eine TEU entspricht einem 20-Fuß Container). Zwar wurden 2020 etwas weniger Container umgeschlagen, zuletzt waren die Zahlen aber wieder über dem Niveau von 2019.
Gut für die Wirtschaft – schlecht für die Umwelt
Die Kehrseite des Erfolgs: Die Ozeanriesen werden überwiegend mit Schweröl oder Marinediesel angetrieben und tragen erheblich zum weltweiten CO2-Ausstoß bei. Zwar ist es bis heute immer noch die energieeffizienteste Form, Güter und Waren weltweit mit dem Schiff zu transportieren. Allerdings macht die Seefahrt mittlerweile 2,7 Prozent der jährlich weltweit vom Menschen freigesetzten Treibhausgasmengen aus – das ist ungefähr so viel, wie Deutschland insgesamt pro Jahr ausstößt. Oder anders gesagt: Wäre die internationale Schifffahrt ein Land, gäbe es nur fünf Staaten, die mehr CO2 emittieren.
Würde sich das Wachstum der Branche bis zur Mitte des Jahrhunderts auf die gleiche Weise fortsetzen, sagen Experten sogar eine weitere Zunahme der schädlichen Treibhausgase um 50 bis 250 Prozent voraus. Die Ziele des Pariser Klimaabkommens von 2015, die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf unter zwei Grad Celsius zu beschränken, würden so verfehlt.
CO2-neutral bis 2050 – gelingt das?
Die Notwendigkeit für einen Kurswechsel ist den meisten Branchenvertretern klar, insbesondere die deutschen Reeder haben hier eine Führungsrolle übernommen und innerhalb der International Marine Organization (IMO) gefordert, dass die internationale Schifffahrt bis 2050 klimaneutral werden soll.
„Unsere Kunden aus der Branche haben sich ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele gesetzt“, bestätigt Bastian Dühmert, Branchenexperte in der Unternehmensbank der Deutschen Bank. „Die Schifffahrt steht an einem Wendepunkt. Wichtig ist neben der Entwicklung alternativer Treibstoffe und Motoren, dass es einheitliche Regeln für alle Marktteilnehmer gibt.“
Da sich große Container-Schiffe nicht wie Autos elektrisch betreiben lassen und auch langsameres Fahren oder eine verbesserte Auslastung der Schiffe nicht die erforderlichen CO2-Einsparungen bringen, liegt der Schlüssel in der Entwicklung neuer Treibstoffe. Treibstoffe, deren Verbrennung keine oder nur sehr geringe Mengen Treibhausgase freisetzen. Im Fokus sind hier aktuell grüner Ammoniak und Methanol.
„Deren Verfügbarkeit ist aber aktuell noch das Problem“, erläutert Michael Kastl, Treasurer von Hapag-Lloyd. Ebenso ist die Infrastruktur für die Beladung und Betankung der Schiffe mit dem Treibstoff entlang der Handelsrouten noch nicht ausgebaut. Ein erster Schritt wurde nun gerade im Hamburger Hafen gemacht, wo der Neubau eines Ammoniak-Terminals beschlossen wurde. Geplante Fertigstellung: 2026.
Zwischenlösungen auf dem Weg zur grünen Null
Hapag-Lloyd beispielsweise setzt deshalb zunächst auf eine Brückentechnologie und hat zwölf neue Schiffe bestellt, die mit LNG (Liquified Natural Gas) angetrieben werden sollen. Die Reederei möchte bereits 2045 CO2-neutral unterwegs sein.
„LNG ist in ausreichenden Mengen vorhanden, die Infrastruktur ist da, und wir können es sofort einsetzen“, bringt es Kastl auf den Punkt. Allein mit den zwölf Schiffen kann Hapag-Lloyd seine CO2-Emissionen kurzfristig um bis zu 20 Prozent senken. Die Investitionskosten sind mit zwei Milliarden Euro auch für eine erfolgreiche Reederei keine Kleinigkeit. Sie können aber später auf CO2-neutrale Antriebstechniken umgerüstet werden.“
Teure Kraftstoffe, teure Schiffe: Nachhaltigkeit als Wettbewerbsnachteil?
Emissionsarme Treibstoffe werden zunächst teurer sein – daher fordern Reeder, dass diese Nachteile ausgeglichen werden und gleiche Regeln für alle gelten. Eine Idee ist die globale CO2-Steuer, die auch die Internationale Schifffahrtskammer unterstützt. Experten des Internationalen Währungsfonds haben errechnet, dass eine Steuer von 75 US-Dollar für jede Tonne von freigesetztem CO2 die Schiffsemissionen bis zum Jahr 2040 um ein Viertel senken könnten.
Die Hoffnung: Je höher die Abgaben auf CO2-Emissionen und je günstiger neue Technologien sind, desto eher werden Reeder ihre Flotten durch Schiffe mit emissionsarmen Antrieben ersetzen. Alle Reeder, die in die EU-Gewässer fahren, müssen bereits 2023 eine CO2-Abgabe zahlen. Die EU übernimmt damit eine Vorreiterrolle innerhalb der International Marine Organization.
Erste Reedereien investieren bereits in umweltfreundliche Schiffe.
„Private Investitionen werden aber erst dann richtig ansteigen, wenn klar ist, dass Kunden bereit sind, für umweltfreundliche Transporte zu zahlen und die Technologie ausgereift ist – Schiffe haben schließlich eine Lebenszeit von 20Jahren und mehr“, so Bastian Dühmert
„CO2-neutraler Transport wird künftig selbstverständlich sein.“
Insgesamt kostet die Umstellung der Branche auf eine nachhaltige Schifffahrt sehr viel Geld
Für eine Halbierung ihrer Emissionen bis 2050 muss die Schiffsbranche zwischen 2030 und 2050 etwa 1 bis 1,4 Billionen US-Dollar investieren. Für eine vollständige Dekarbonisierung wären im selben Zeitraum etwa 1,4 bis 1,9 Billionen US-Dollar erforderlich.
Für Michael Kastl ist die Richtung trotz der notwendigen hohen Investitionen klar: „Unsere Kunden werden einen CO2-neutralen Transport ihrer Waren einfordern und nur Reedereien, die dies langfristig sicherstellen können, werden überleben.“ CO2-neutraler Transport werde bald zu einer Selbstverständlichkeit – auch wenn bestimmte Produkte dann am Ende möglicherweise mehr kosten könnten.
Über Transition Stories
In den Transition Stories beleuchten wir, wie Unternehmen aus CO2-intensiven Branchen ihre Geschäftsmodelle ändern, um nachhaltiger zu werden – und welche Rolle wir als Bank dabei spielen können.
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