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15. September 2022
Einblicke von unseren ESG-Experten: Viktoriya Brand
Viktoriya Brand leitet den Bereich Group Sustainability. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von ESG-Standards und -Richtlinien für das Geschäft der Bank mit Kunden sowie auf dem Dialog mit verschiedenen Interessengruppen.
Viktoriya Brand leitet den Bereich Group Sustainability und arbeitet seit 2010 bei der Deutschen Bank in Frankfurt. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von ESG-Standards und -Richtlinien für das Geschäft der Bank mit Kunden sowie auf dem Dialog mit verschiedenen Interessengruppen, darunter mit Ratingagenturen und Nichtregierungsorganisationen.
Viktoriya, was hält Sie derzeit auf Trab?
Erstens: die ESG-Regulierung, die sich ständig weiterentwickelt. Weltweit treten zunehmend neue, vielfältige Vorschriften in Kraft. Diese umzusetzen ist eine Herausforderung. Außerdem gibt es noch kein gemeinsames Verständnis und keine Einigung über ESG-Definitionen – zum Beispiel darüber, welche Metriken zu verwenden sind und was als ‚nachhaltig‘ zu betrachten ist. Weil es noch keine gemeinsamen Rahmenwerke für die Branche gibt, müssen wir oft unsere eigenen Standards entwickeln und uns dabei an der bestmöglichen Praxis am Markt orientieren.
Zweitens: Daten. Wir brauchen Daten, um unsere Nachhaltigkeitsprozesse laufend zu verbessern, um innovativ zu sein und regulatorische Anforderungen umzusetzen. Für viele Interessengruppen ist dieser Ansatz noch ungewohnt, so dass die Art von Daten, die wir benötigen, nicht immer verfügbar ist oder einfach nicht existiert.
Drittens: die zunehmende Komplexität. Es gibt das Klima, die biologische Vielfalt, die Menschenrechte, den sozialen Schutz und all die zugehörigen Themen wie Abholzung, Meeresschutz und Plastik, um nur einige zu nennen. Jedes Thema ist äußerst wichtig und hat nochmal eine ganz eigene Komplexität.
Wie können wir ohne gemeinsame Definitionen vorankommen?
Intern haben wir Regeln und Grundsätze aufgestellt, um zu bewerten, was nachhaltig ist. Diese Grundsätze sollen dazu dienen, einheitlich zu bewerten, was beispielsweise ein positiver Beitrag zum Klimaschutz ist oder welche Maßnahmen konform sind mit den UN-Nachhaltigkeitszielen. Das ist die Aufgabe unseres Rahmenwerks für nachhaltige Finanzierungen: festzulegen, wie die Nachhaltigkeitsbewertung in allen Ländern, in denen wir tätig sind, einheitlich angewendet werden kann. Dabei müssen wir sowohl die verfügbaren internationalen Definitionen als auch die lokalen Standards berücksichtigen.
Erzählen Sie uns mehr über Daten: Welche benötigen wir, und wie werden wir sie nutzen?
Als Finanzdienstleister können wir am meisten bewirken, wenn wir mit unseren Kunden zusammenarbeiten und sie dabei unterstützen, ihre Projekte und Investitionen umzusetzen. Bislang konnten wir Finanzströme in Höhe von mehr als 190 Milliarden Euro für nachhaltige Finanzierungen und Anlagen ermöglichen. Unsere Aufgabe ist es nicht nur, die Standards zu setzen, sondern auch dafür zu sorgen, dass diese Ströme mit unserem Rahmenwerk konform sind.
Hinter diesen mehr als 190 Milliarden Euro an ESG-Finanzierungen und -Anlagen steht eine große Zahl von Geschäften. Wie stellen Sie sicher, dass alle diese Geschäfte nachhaltig sind?
Es stimmt, dass die Zahl der Geschäfte schnell wächst. Im Jahr 2021 haben wir mehr als 1.000 Transaktionen in der Investmentbank und der Unternehmensbank validiert. Tendenziell nimmt nicht nur die Zahl der Transaktionen zu, sondern auch deren Komplexität. In den vergangenen Jahren haben wir einen robusten Governance-Prozess eingeführt, so dass alle Bereiche – unsere Geschäftsbereiche, unsere Abteilung Group Sustainability oder die Finanzabteilung – über Verfahren verfügen, die unserem Rahmenwerk für nachhaltige Finanzierungen entsprechen. Jedes Geschäft, das wir unserem Volumenziel für nachhaltige Finanzierungen zurechnen, wird überprüft.
Wie häufig sagen Sie intern und den Kunden der Bank, dass Sie ein Geschäft nicht als „E“, „S“ oder „G“ einstufen können?
Da sich die Regeln bewährt haben und wir seit der Einführung des Rahmenwerks im Jahr 2020 Erfahrungen sammeln konnten, wissen unsere Kundenbetreuer*innen, was funktioniert und was nicht. Aber es kommt immer mal wieder vor, dass wir die Einstufung ablehnen müssen, vor allem in den Fällen, wo wir uns auf ganz neues Terrain begeben. Für solche Fälle haben wir ein spezielles Forum eingerichtet, um sie zu bewerten und zu einem Ergebnis zu kommen. Diese Diskussionen können dann wiederum in unser Rahmenwerk einfließen, da sich dieser Bereich natürlich auch ständig weiterentwickelt.
Unsere ESG-Strategie nennen wir „Von der Ambition zur Wirkung“. Wie gut können wir die tatsächliche Wirkung unserer Transaktionen auf die Umwelt schon messen?
Bei einzelnen Finanzierungen ist es oft möglich, die Wirkung zu bewerten, auch wenn sie nicht immer quantifizierbar sind. Wir alle in der Finanzbranche müssen sicherlich noch besser darin werden, wenn es darum geht, das gesamte Wirkungsspektrum auf die Umwelt und die Gesellschaft zu messen – einschließlich der biologischen Vielfalt, der Flächennutzung et cetera. Wir dürfen es nicht nur auf Kohlenstoff beschränken.
Es klingt, als gäbe es noch viel zu tun. Was hat die Deutsche Bank in den vergangenen zwei Jahren erreicht, auf das Sie besonders stolz sind?
Wir haben in unserer Bank ein gemeinsames Verständnis dafür geschaffen, was Nachhaltigkeit ist und wie wichtig es ist, nachhaltige Kriterien in unsere Kundengespräche und unseren Bankbetrieb zu integrieren. Nachhaltigkeit ist für uns kein „Nice-to-have“, sondern sehr schnell Teil unserer Geschäftsentscheidungen geworden. Sie ist mittlerweile ein Innovationsmotor für neue Produktideen und neue Wege, einen positiven Beitrag zum Umwelt- und Sozialschutz zu leisten.
Wie stellen Sie sicher, dass Sie bei ESG im Vergleich zur Konkurrenz vorn mit dabei sind?
Zunächst einmal hören wir gut zu. Die laufende Rückmeldung und der Dialog mit unseren Interessengruppen sind entscheidend, um zu verstehen, was für unsere Kunden wichtig ist und was dies für uns als Bank bedeutet. Außerdem machen wir ständig einen Abgleich mit dem, was unsere Wettbewerber tun, und wir haben unsere Anstrengungen hier deutlich verstärkt.
Was sind Ihre Prioritäten für den Rest des Jahres 2022?
Unser Rahmenwerk für nachhaltige Finanzierungen weiterzuentwickeln und unsere internen Nachhaltigkeitsschulungen voranzutreiben, um nur zwei zu nennen. Es ist für uns von entscheidender Bedeutung, unser Rahmenwerk für nachhaltige Finanzierungen kontinuierlich zu aktualisieren – und den überarbeiteten internationalen Standards wie der EU-Taxonomie anzupassen. Es geht darum, die Fortschritte bei lokalen Taxonomien sowie internationalen Grundsätzen und natürlich auch mit unseren eigenen Erfahrungen einzubringen. Und für den Dialog mit unseren Kunden wollen wir unsere Kollege*innen in die Lage versetzen, dass sie in den wichtigen Themen fit sind. Deshalb werden wir bis Ende des Jahres neue Schulungsmodule einführen.
Diese Interviewserie ist Teil unseres neuen – zunächst nur englischsprachigen – externen Newsletters „ESG Quarterly“, den Sie auf unserer Webseite abonnieren können.
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