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Frankfurt am Main, 1. Februar 2021
Bis zum bitteren Ende
Der beispiellose geld- und fiskalpolitische Impuls wird zusammen mit der aufgestauten Nachfrage die Konjunktur wie ein Turbolader antreiben. Mit steigenden Inflationserwartungen werde aber Zweifel an dessen Nachhaltigkeit zunehmen.
Der globale Konjunkturoptimismus, der sich durch die schnelle Entwicklung von hochgradig wirksamen Impfstoffen und nicht zuletzt durch die Erwartungen eines massiven Fiskalstimulus in den USA Bahn gebrochen hatte, erlitt zuletzt einen herben Dämpfer. Schleppende Impfstarts mit Lieferproblemen in Europa, verlängerte und verschärfte Lockdowns aufgrund der Sorge über noch ansteckendere Mutationen des Coronavirus haben hier die Stimmung der Unternehmen und Konsumenten gedrückt und den Höhenflug an den Aktienmärkten zunächst einmal beendet.
Aber die Nacht ist kurz vor der Dämmerung am dunkelsten. Spätestens im Frühsommer könnte der Impffortschritt zusammen mit steigenden Temperaturen die Infektionszahlen kräftig sinken lassen und die Stimmung nachhaltig zum Besseren wenden. Die Konsumenten können es jetzt schon kaum mehr abwarten, wieder Restaurants zu besuchen, einzukaufen und zu verreisen. Die aufgestaute Nachfrage wird dann mit einem nie da gewesenen geld- und fiskalpolitischen Impuls zusammentreffen, der durch den Schulterschluss von Geld- und Finanzpolitik geschaffen wird.
Finanzpolitiker wollen mit immer neuen Programmen, die bereits im vergangenen Jahr die globale Verschuldung um 19,5 Billionen US-Dollar nach oben getrieben haben, nicht nur die Konjunktur und alle betroffenen Sektoren aus dem Corona-Tal herausbringen, sondern damit auch noch den notwendigen Übergang in die digitale und nachhaltige Wirtschaft bewerkstelligen.
Sie finden in ihren Notenbanken willige Unterstützer, die ihr Zuständigkeitsgebiet immer weiter ausdehnen und die Aufblähung der Staatsschulden durch die Bereitstellung von Zentralbankgeld monetisieren. Diese Politik wirkt wie eine Droge, die mit großer Wahrscheinlichkeit zusammen mit der Überwindung der globalen Pandemie zu euphorischen Übertreibungen an den Märkten ähnlich wie in den 1920er-Jahren, den „Roaring Twenties“, führen wird. Anzeichen sehen wir bereits in den steilen Kursgewinnen der breiten Marktindizes, die jede Bodenhaftung verloren haben.
Wie damals locken die Börsen auch schon jetzt wieder zunehmend spekulative Privatanleger an. Der Welthandel hat bereits sein Niveau vor COVID-19 überschritten, was sich auch in explodierenden Charterraten für Frachtschiffe zeigt. Zusammen mit dem Konsumschub wird dies dazu führen, dass die Liquidität der Finanzmärkte zunehmend in die Realwirtschaft überschwappt, was dank Multiplikatoreffekten wie ein Turbolader die Konjunktur massiv antreiben wird. Dieser Aufschwung dürfte wohl bis ins Jahr 2022 anhalten. Mit steigender Inflationserwartung drohen aber Zweifel an dessen Nachhaltigkeit zuzunehmen, was letztlich zu einem Einbruch der Anleihe- und Aktienmärkte führen könnte.
Vor einem Jahrhundert endete die fiskal- und geldpolitisch kreierte und durch Spekulation befeuerte Scheinblüte in einem riesigen Scherbenhaufen. Wir bilden uns ein, aus diesen Fehlern gelernt zu haben. Aber glauben wir wirklich, dass all diese Billionen uns nachhaltigen Wohlstand bescheren? Spätestens wenn die Inflation aus dem Ruder läuft und die Zinsen steigen, wird die Party zu Ende sein. Die Frage, wer die Kosten der Sause zahlen muss, birgt zweifellos ein ähnliches hohes Konfliktpotenzial wie damals.
david.folkerts-landau@db.com
+44 20 754 55502
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