Nachricht 29. Mai 2020

„Wenn wir jetzt nicht handeln, verpassen wir eine Gelegenheit“

Gerald Podobnik zu nachhaltiger Finanzierung

Dr. Gerald Podobnik Herr Podobnik, nachhaltige Finanzierungen oder „Sustainable Finance“ hatte noch vor wenigen Jahren eher den Ruf eines PR-Instruments. Ist das Vergangenheit?

Die ersten Transaktionen haben die Emittenten sicher auch in diese Richtung genutzt. Sie wollten Signale setzen: Schaut her, wir bekennen uns zu nachhaltigem Wirtschaften. Aber mit dem Pariser Klimaabkommen, dem zusätzlichen Weltklimagipfel 2017 (One Planet Summit) und schließlich der Sustainabe-Finance-Strategie der EU-Kommission hat das Thema einen starken Schub bekommen. Spätestens da hat jeder gemerkt, dass es einen regulatorischen Rahmen bekommt. Und der wiederum löst einen Entwicklungsschub aus.

Das heißt, wir haben die PR-Phase hinter uns?

Ja, auch weil Investoren schrittweise ihr Verhalten ändern. Der Druck auf die Unternehmen wächst, nachhaltige Kriterien in ihrer Unternehmensführung zu verankern. Immer mehr Investoren steuern ihre Portfolios nach Nachhaltigkeitskriterien und fragen nach entsprechenden Ratings. Mittlerweile kommt das Thema auch bei Privatanlegern an. Es gibt Studien, die zeigen, dass Unternehmen, die Kriterien für Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung – kurz „ESG“ – stärker beachten, also auch in der Krise widerstandsfähiger sind. Solche Nachrichten wirken.

Die Deutsche Bank möchte bis 2025 200 Milliarden Euro an nachhaltigen Finanzierungen und Kapitalanlagen realisieren. Warum haben Sie solche Ziele nicht schon früher formuliert?

Wir sind dafür kritisiert worden, dass wir bislang keine konkreten Ziele hatten. Aber wir wollten das ordentlich, strukturiert und nachvollziehbar machen. Dabei wollten wir auch die EU-Taxonomie, den Nachhaltigkeitsstandard der Europäischen Union, als Basis nutzen, um nachvollziehbare Kriterien zu entwickeln.

Es muss einfach klar sein, welche Tätigkeiten auf unsere Ziele einzahlen und welche nicht. Für Themen wie erneuerbare Energien, nachhaltige Produktion oder nachhaltige Landwirtschaft sind die Kriterien basierend auf international anerkannten Standards recht einfach zu definieren. Für andere Bereiche sind die EU-Vorgaben zwar recht komplex, geben aber einen sehr guten Rahmen, in welche Richtung die Bewertung gehen sollte.

Für weitere Bereiche vor allem im Bereich Soziales mussten wir selbst Kriterien festlegen. Im nächsten Schritt mussten wir dann bewerten, was aus unserem bisherigen Portfolio der internen Taxonomie entspricht. Dabei wiederum wird deutlich, wie viel wir in der Vergangenheit bereits geleistet haben. Das Beratungshaus ISS ESG hat die ESG-Kriterien geprüft und sieht uns auf Platz 8 von 281 Unternehmen in der Kategorie Finanzunternehmen/Banken und Kapitalmarkt.

Trotzdem fordern Sie von der Politik, weitere Anreize zu schaffen für den Finanzsektor, um nachhaltigen Finanzierungen den Weg zu ebnen. Warum ist das notwendig?

Wenn der Finanzsektor in kurzer Zeit massiv Volumen in Richtung nachhaltiger Finanzierungen umverteilen soll, dann geht das nur mit Anreizen und regulatorischen Vorgaben. Die Frage ist zudem, wie man tatsächlich alle Banken auf diesen Kurs bringt. Wir als Großbank sind ohnehin im Blickfeld des Kapitalmarktes, der Analysten und Investoren. Kleinere oder regionale Institute aber sind das nicht, für die bräuchte es zum Beispiel Erleichterungen bei den Eigenkapitalanforderungen. Ein Klimastresstest für Banken wäre auch eine gute Idee: Wer dort gut abschneidet, dem könnte man bestimmte Anforderungen erlassen.

Was muss außerdem geschehen, damit Unternehmen nachhaltiger wirtschaften?

Die Unternehmen müssen viel besser und transparenter darüber berichten, was sie planen, um nachhaltiger zu werden – und natürlich auch, was sie schon erreicht haben. Kapitalmärkte funktionieren nun mal über Standards und Skalierbarkeit. Sprich: Es muss zum Beispiel quantifizierbar sein und vergleichbar gemacht werden, wie klimafreundlich Unternehmen agieren. Wenn wir uns als Banken messen lassen müssen, dann müssen wir auch das Geschäft unserer Kunden entsprechend einordnen können. Und dafür braucht es Standards wie bei der Finanzberichterstattung.

Sie sind Mitglied im Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung. Sehen Sie Fortschritte bei diesem Thema?

Die EU überarbeitet derzeit ihre Richtlinie für die nichtfinanzielle Berichte von Unternehmen. Hier sind wir auf einem guten Weg. Und im Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung haben wir das Ziel, Deutschland zum Vorreiter für dieses Thema zu machen. Hier sitzen Vertreter aus der Finanz- und Realwirtschaft, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft.

In der aktuellen Krise, das ist unsere Überzeugung, bietet sich eine Chance, steuernd einzugreifen, um Wachstum und Nachhaltigkeit zu verbinden. Denn die Kräfte und Ressourcen, die wir jetzt mobilisieren, werden langfristig wirkende Effekte haben. Deshalb müssen sie auch dazu beitragen, langfristige Herausforderungen zu lösen – insbesondere die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft.

Darauf wollen wir hinwirken. Es gibt natürlich nicht wenige, die sich nun erst um die Konjunktur und dann um das Klima kümmern möchten. Aber wir vertreten einen anderen Standpunkt: Wir müssen die Wirtschaft transformieren hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft, die zum Beispiel auch deutlich widerstandsfähiger gegen die Gefahren des Klimawandels wird. Wenn wir jetzt, während der Krise, nicht handeln, dann verpassen wir eine Gelegenheit.

Kommen Sie als Banker, der immer auch die Interessen seiner Unternehmenskunden zu vertreten hat, nicht in einen Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit?

Im Beirat der Bundesregierung sitze ich ja nicht als Vertreter der Bank, dort bin ich persönlich berufen. Und ich bin angehalten, beide Rollen strikt zu trennen. Aber davon abgesehen: Wenn wir mit unseren Unternehmenskunden sprechen, dann betrachten wir die Ausrichtung an nachhaltigen Kriterien immer in deren ureigenem Interesse.

Wir erleben derzeit zwei prägende Trends, wenn es um unternehmerische Entwicklung geht: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Wer beide Themen nicht frühzeitig strategisch betrachtet, hat auf lange Sicht das Nachsehen. Insofern wirken wir immer darauf hin, dass man auch akute Probleme mit Blick auf langfristigen Erfolg angeht. Als die Corona-Krise begann, haben wir alle gesehen, wie wenig widerstandsfähig Teile unserer Wirtschaft sind. Da zeigt sich, wie wichtig eine nachhaltig ausgerichtete Wirtschaft sein kann.

Wir als Bank können hier einen entscheidenden Schub geben, indem wir die ganze nachhaltige Klaviatur spielen – zum Beispiel auch über eigene grüne Anleihen.

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