Alexandra Kalev

„Jeder braucht die Chance zu glänzen“

Die Idee vielfältiger zu werden, hat in vielen Unternehmen in eine Sackgasse geführt, sagt Professorin Alexandra Kalev von der Universität Tel Aviv. Im Interview erklärt sie, was falsch lief und wie mehr Vielfalt in Unternehmen möglich ist.

Alexandra, warum kann eine vielfältige Belegschaft ein Unternehmen erfolgreicher machen?

Wer immer die gleiche Art von Managern um sich schart, senkt letztlich seine Ansprüche – und wird keinen umfassenden Talentpool schaffen, der nützlich ist für das Unternehmen und einen selbst. Oder anders gesagt: Menschen aus Gruppen, die in Führungspositionen unterrepräsentiert sind, haben in ihrem Leben häufig außergewöhnliche Erfahrungen gemacht, da sie hart dafür gearbeitet haben, um Hürden zu überwinden. Von der besonderen Perspektive, die diese Menschen mitbringen, können Unternehmen profitieren.

Wieso tun sich so viele Unternehmen dann so schwer damit?

Viele Organisationen, ob groß oder klein, wollen ihren Erfolg möglichst risikofrei reproduzieren – mit den Mitteln und Methoden, die sie kennen. Das gilt nicht zuletzt auch für Personalfragen, von der Wahl der Headhunter über die Art des Netzwerkens bis zu den Karrierewegen im Unternehmen. Beispielsweise fördern Manager oft Mitarbeitende, die sie an sich selbst erinnern. Diese Haltung befördert in der Summe das Gegenteil von Vielfalt und Veränderung.

Aber viele Firmen haben sich längst mehr Vielfalt auf die Fahnen geschrieben.

Der hohe öffentliche Druck zwingt Unternehmen, etwas zu tun. Manche sind dabei auch recht transparent. Die Zahlen zeigen aber leider: Es hat sich seit den 1980er-Jahren in Summe noch nicht allzu viel verbessert. Warum? Viele Firmen geben sich Mühe, wählen aber oft den falschen Weg – und stehen am Ende manchmal sogar schlechter da als vorher.

Manchmal fühlen sich Mitarbeitende durch Diversity-Trainings so unter Druck gesetzt, dass sich ihre Haltung gegenüber Minderheiten und Randgruppen sogar verhärtet.

Was läuft schief?

Die meisten Unternehmen konzentrieren sich darauf, die Einstellung Einzelner zu ändern. Nach dem Motto: Du hast Vorurteile, du musst dich ändern. Klassisches Diversity-Training in Unternehmen läuft sehr häufig nach diesem Muster ab und ist überdies ein isoliertes Event. Das bringt wenig. Denn unsere Einstellungen und Vorurteile sind tief in uns verwurzelt. Die meisten Teilnehmer haken das Training ab und machen weiter so wie vorher. In manchen Fällen fühlen sich Mitarbeitende so unter Druck gesetzt, dass sich ihre Haltung gegenüber Minderheiten und Randgruppen sogar eher noch verhärtet.

Was müssen Unternehmen stattdessen tun?

Entscheidend ist, das festgefahrene System aufzuweichen – und benachteiligte Gruppen in jedem Schritt ihrer Karriere besser einzubinden. Das fängt bei Neueinstellungen an: Warum nicht mit Personalberater*innen und NGOs zusammenarbeiten, die auf solche Gruppen spezialisiert sind? Nehmen Sie das Mentoring. Jeder braucht die Chance zu glänzen. Gerade benachteiligte Gruppen müssen die Chance haben, sich dem Topmanagement zu präsentieren – also denjenigen, die wirklich die Macht haben, etwas zu verändern. 

Vielfalt verspricht nur dann Erfolg, wenn eine Kultur der Zusammenarbeit herrscht, in der jeder sein Talent einbringen kann.

Wie kann das funktionieren?

In der Praxis sind zum Beispiel oft Schwarze Manager ohne große Befugnisse die Mentoren von schwarzen Nachwuchskräften. Diese Art des Mentoring verstärkt das Silo-Denken und die Gruppenzugehörigkeiten eher noch. Vielfalt verspricht aber nur dann Erfolg, wenn eine Kultur der Zusammenarbeit herrscht, in der alle ihr Talent einbringen können. Dafür eignet sich vor allem ein universelles Mentoring, an dem jeder teilnimmt und bei dem das Matching nach Interessen und Expertise erfolgt. Es muss fest zur Unternehmenskultur gehören und darf nicht als Zwang empfunden oder individuell in Frage gestellt werden. Diese Form der Kultur fängt ganz oben an.

Wie meinen Sie das?

Die Signalwirkung der Unternehmensspitze ist enorm: Führungskräfte wie Mitarbeitende ziehen mit, wenn sie das Gefühl haben, dass das Engagement für mehr Vielfalt von ihren Chefs wirklich geschätzt und gewollt ist.

Werden Unternehmen die individuellen Erfahrungen ihrer Mitarbeitenden künftig besser nutzen?

Es gibt positive Zeichen. Vielfältigkeit entwickelt sich für viele Firmen zu einer strategischen Frage, weil sie hilft, neue Märkte zu erschließen und neue Ideen zu entwickeln. Das fördert den Einsatz für echte Vielfalt im Unternehmen.

Dieses Interview wurde geführt von Claudio De Luca und Felix Winnands.

Frank Dobbin & Alexandra Kalev: Getting to diversity – what works and what doesn't

Über Alexandra Kalev

Alexandra Kalev ist Professorin für Soziologie und Anthropologie an der Universität Tel Aviv. Sie promovierte an der Princeton University. Zusammen mit Frank Dobbin entwickelt sie einen evidenzbasierten Ansatz für das Management von Vielfalt in Unternehmen und Universitäten. Zudem untersuchen sie die Auswirkungen der Vielfalt auf die finanzielle Leistungsfähigkeit von Unternehmen. 

Im September ist ihr Buch „Getting to Diversity” erschienen, in dem sie ihre Forschungsergebnisse in Bezug auf Diversity in Unternehmen zusammenfasst. 

Claudio De Luca

Claudio De Luca

… ist fasziniert davon, welche Dynamik entsteht, wenn sich Menschen aus den unterschiedlichsten Ecken zusammentun. Bei der Deutschen Bank arbeitet Claudio als Leiter des Editing-Teams.

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