„Die entscheidende Zukunftsfrage ist, wem die Menschen vertrauen“
Digitales Bezahlen nimmt zu. Dabei erzeugen wir Daten, die viel über uns verraten. Aber was genau? Und was können Firmen mit den Daten machen, die sie besitzen? Das verrät Shivaji Dasgupta, Leiter des Bereichs Daten und künstliche Intelligenz (KI) bei der Deutschen Bank.
Video: Bin ich gläsern, wenn ich digital bezahle?
In der Coronakrise fingen viele Menschen an, digital zu zahlen. Wie gläsern sind sie dadurch geworden?
Das ist ganz einfach: Je digitaler wir werden, desto mehr geben wir über uns preis. Den Weg eines physischen Geldscheins kann ich nur schwer nachverfolgen. Bei unseren digitalen Fußstapfen ist das schon anders. Klar ist aber auch: Was mit diesen Daten gemacht werden kann, hängt stark vom Kulturkreis ab.
Zum Beispiel?
In Südkorea konnten in der Coronapandemie die Bewegungsmuster der Kunden über ihre Kartenzahlungen so genau nachvollzogen werden, dass die Regierung daraus Maßnahmen ableiten konnte. In Deutschland und Europa geht das alleine schon wegen der Datenschutzgrundverordnung nicht. Aber auch hier kann man, vorausgesetzt der Kunde stimmt zu, mit Zahlungsverkehrsdaten auf eine ganze Menge schließen: Konsumgewohnheiten, Vermögensverhältnisse oder die Kreditfähigkeit.
Das ist schon ziemlich persönlich. Wie gut sind diese Daten geschützt?
Die wahre Antwort ist: In der digitalen Welt sind diese Daten „irgendwo“ vorhanden und nicht in jeder Geografie ist klar, wer darauf zugreifen kann. In Europa ist das streng geregelt, in anderen Staaten nicht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Firmen mit dieser Verantwortung unterschiedlich umgehen. Deshalb ist es so wichtig, dass Kunden ihre Daten nur seriösen Adressen anvertrauen und man zugleich als Unternehmen permanent zeigt, dass man vertrauenswürdig ist. Denn die entscheidende Zukunftsfrage ist, wem die Menschen vertrauen.
Warum ist das für die Zukunft so entscheidend?
Weil sich das Datenprofil von Menschen immer weiter vergrößern wird. Heute schon durch das Smartphone und das Navi, morgen dann durch selbstfahrende Autos sowie Kühlschränke, die selbst Produkte nachbestellen. Solche Daten sind sehr wertvoll – so wertvoll, dass wir irgendwann sogar damit bezahlen könnten.
Daten könnten irgendwann einen festen Preis bekommen und teilweise wie Geld behandelt werden.
Das klingt nach einer Vision für die ferne Zukunft. Wie kann das konkret ablaufen?
Schon heute kann man Apps nutzen, die erkennen, welche Unternehmen Daten von einem sammeln. Damit kann man auch entscheiden, wer die Daten bekommen soll – und dadurch wiederum daran verdienen. Sofern Menschen künftig grundsätzlich die Kontrolle über ihre eigenen Daten haben, werden Firmen bereit sein, dafür zu bezahlen. Dann könnten Daten einen festen Preis bekommen und somit teilweise wie Geld behandelt werden. Sprich: Man könnte seine Daten bei einer Bank anlegen, die darauf aufpasst und einem dafür vielleicht sogar Zinsen bezahlt.
Warum sollte man dafür noch zu einer Bank gehen?
Banken wird seit jeher Vertrauen entgegengebracht. Sie sind schon lange Spezialisten darin, Geld und persönliche Wertgegenstände für ihre Kunden zu verwahren. Diese Aufgabe können sie auch in der digitalen Welt einnehmen, wenn sie die richtige Infrastruktur dafür haben. Ein weiterer Vorteil: Banken sind stark reguliert. Gerade wenn es um sensible Daten geht, die man vielleicht nicht teilen möchte, ist das ein Vorteil. Falls wir wirklich irgendwann mit unseren Daten bezahlen sollten, könnte es ein Bankdatengeheimnis geben, das Banken zu besonders starkem Schutz verpflichtet.
Der Vorteil heute ist relativ simpel: Bankgeschäfte werden dadurch deutlich angenehmer. Wenn wir Kunden und ihre Zahlungsverkehrsdaten gut kennen, können wir ihnen Angebote machen, die besser zu ihnen und ihrem Leben passen.
Konkret?
Bevor jemand ins Dispo rutscht, können wir ihr oder ihm automatisiert einen Ratenkredit anbieten, damit es nicht zu teuer wird. Oder wir können Kunden Bescheid geben, wenn sie beispielsweise mehr für Strom, das Smartphone oder für Abos bezahlen als vergleichbare andere Personen.
Und wie steht es um die Sicherheit?
Auch hier kann es hilfreich sein, wenn Kunden digital bezahlen. Wenn sie zum Beispiel zum ersten Mal in einem neuen Land bezahlen, könnten wir sie bitten, die Zahlung mit einem Finger oder ihrem Gesicht zu bestätigen, damit wir wissen, dass kein Betrug vorliegt. Und das Beste: Kein Mensch muss dafür in ihre persönlichen Daten schauen. Das kann alles über eine Maschine im Hintergrund laufen.
Wie funktioniert das?
Mit intelligenten Algorithmen, die standardisiert prüfen, ob in Datensätzen irgendetwas ungewöhnlich ist. Erst wenn etwas auf Betrug hindeutet, würde ein Kundenbetreuer darauf aufmerksam gemacht. Noch sind solche Systeme nicht im Einsatz. Aber während die Idee mit Daten zu bezahlen noch in weiter Ferne liegt, kann ich mir das schon in naher Zukunft vorstellen: Kunden, die sich ein zusätzliches Maß an Sicherheit wünschen, könnten wir diese Dienstleistung anbieten. Das könnte der nächste Schritt sein.
Im Bankgeschäft können intelligente Algorithmen, die prüfen, ob in Datensätzen irgendetwas ungewöhnlich ist, Betrug aufdecken.
Über Shivaji Dasgupta
Shivaji Dasgupta ist seit 2018 bei Deutsche Bank und leitet hier die Konzeption und Implementierung datengetriebener Produkte, insbesondere innovativer Cloud-Produkte und KI-Themen. Er ist Teil des „Cloud and Innovation Network Team“ im Bereich Technologie, Daten und Innovation. Zudem vertritt er die Bank in branchenübergreifenden Foren wie dem Bundesverband Deutscher Banken (BdB), der European Banking Federation (EBF) und der European Cloud Initiative Gaia-X
Maike Tippmann
ist ihre Privatsphäre heilig. Die Frage, was mit ihren Zahlungsdaten passiert, wenn sie im Alltag zunehmend auf Bargeld verzichtet, treibt sie um, seit sie ihre erste Kreditkarte bekam. Weil sie überzeugt ist, dass es anderen Menschen genauso geht, nutzt sie jede Gelegenheit, Experten zu fragen: Wie gläsern bin ich, wenn ich digital bezahle? Die Antwort, findet sie, beruhigt ungemein.
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