„Uns geht es nicht um Bargeld-Liebhaber, sondern um Teilhabe“
Digitales Bezahlen liegt im Trend. Wer jedoch keinen Zugang hat, ist ausgeschlossen. Das möchte das Start-Up Viafintech verhindern – und wählt dafür einen ungewöhnlichen Weg.
Seit etwa zehn Jahren unterstützt das Start-Up Viafintech seine Kunden dabei, bar zu bezahlen. Unter dem Namen „Barzahlen“ in Deutschland gegründet, konnten Kunden der teilnehmenden Onlineshops zunächst Online-Käufe bar an der Supermarktkasse bezahlen. Mittlerweile geht das auch mit klassischen Rechnungen. Auch Ein- und Auszahlungen vom Girokonto sind in sechs europäischen Märkten möglich.
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Bezahldienstleister Paysafe Viafintech übernimmt. Im Interview erklärt Viafintech-Gründer Sebastian Seifert, was er sich davon verspricht, warum ihm die Wachstumsraten beim digitalen Bezahlen keine Sorge bereiten und wie das neue, größere Unternehmen in Zukunft weiter wachsen will.
Es gibt einen Trend zum Digitalen Bezahlen. Sie gehen den umgekehrten Weg und sprechen Bargeld-Liebhaber an. Warum?
Uns geht es nicht um Bargeld-Liebhaber, sondern um finanzielle Teilhabe. Vor mehr als zehn Jahren haben wir bemerkt, dass Menschen einen Online-Kauf überproportional häufig bei der Wahl der Bezahlmethode abbrechen. Ein Grund ist, dass 50 Prozent der Haushalte häufig keine Kreditkarte besitzen, die für digitales Bezahlen notwendig ist. Beispielsweise Studierende, Personen ohne Meldeadresse und Staatenlose. Sie nutzen primär Bargeld, da sie oft auch einen Teil ihres Einkommens bar erhalten. Wir wollten mit unserer Gründung 2011 mehr Menschen Zugang zu digitalen Angeboten verschaffen.
Worauf liegt heute der Fokus?
Online-Shopping ist etwas in den Hintergrund gerückt. Heute bezahlen viele Menschen Rechnungen, zum Beispiel von ihrem Energieversorger, über uns. Das sind häufig sicherheitsbewusste Personen, die keine Daueraufträge möchten. Auf Wunsch bekommen sie als Anhang zu ihrer Rechnung unseren Zahlschein mit einem aufgedruckten Barcode. Dieser kann an Supermarktkassen von teilnehmenden Märkten gescannt und anschließend bar bezahlt werden. An unseren europaweit 20.000 Anlaufstellen können Kunden auch Bargeld auf ihr Girokonto einzahlen. Diese Möglichkeit hat unseren Fokus auf die Zusammenarbeit mit Banken und Digitalbanken verschoben.
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Bezahldienstleister Paysafe Viafintech übernimmt. Was versprechen Sie sich davon?
Die gerade unterzeichnete Übernahme wird einen europäischen Marktführer für Ein- und Auszahlungen schaffen, der in über 20 Ländern mit mehr als 200.000 Akzeptanzstellen im Einzelhandel aktiv ist. Damit erreichen wir unser großes strategisches Ziel, gemeinsam finanzielle Teilhabe und Inklusion voranzutreiben.
Viele Menschen kritisieren, dass mit Bargeld illegale Geschäfte verschleiert werden können. Was entgegnen Sie dem?
Das hören wir natürlich häufiger. Unser Zahlungsdienst ist von der Bafin reguliert und da gibt es klare gesetzliche Vorgaben, wie viel Bargeld pro Tag prozessiert werden darf. Wir haben viel Expertise aufgebaut, um anonymisiert zu überprüfen, dass sich unsere Kunden an die Regeln halten. Falls eine Kundennummer die von der Bafin vorgeschriebenen Grenzen überschreiten möchte, blockiert das System die Transaktion automatisch. Darüber hinaus sind auch unsere Partnerbanken reguliert, sie kontrollieren die Einzahlungen ebenfalls.
In zehn Jahren würde ich einen Anteil von 50 Prozent erwarten.
Abschlussfrage: 2020 wurden laut Bundesbank 60 Prozent der Einkäufe in Deutschland bar bezahlt . Wie hoch wird dieser Anteil 2030 sein?
Sicherlich geringer als heute. Ich glaube, dass der Anteil jedes Jahr ein kleines bisschen sinken wird – bis zu einem Punkt, an dem vor allem überzeugte Bargeldnutzer oder Personen, die auf Bargeld angewiesen sind, darauf zurückgreifen. 2030 würde ich einen Anteil von etwa 50 Prozent erwarten. Wenn die bestehende Bargeldinfrastruktur weniger genutzt wird, werden Menschen künftig verstärkt alternative, bankunabhängige Bargeldinfrastrukturen nachfragen – also ihr Geld eher im Supermarkt abheben als am Automaten. Davon können wir profitieren.
Über Sebastian Seifert
Sebastian Seifert ist Mitgründer und Managing Director des FinTechs viafintech und verantwortlich für die Bereiche Vertrieb, PR/Marketing und Business Development. Darüber hinaus kümmert er sich um Investor Relations.
Viafintech verbindet Unternehmen mit mehr als 20.000 Handelspartnerfilialen in Europa wie REWE, PENNY, Carrefour und dm. Die Zahlungsinfrastruktur ermöglicht Abhebungen und Einzahlungen von Bargeld, Bezahlung von Rechnungen, Auszahlung von Gutschriften, bargeldlose Bezahlmethoden, Prepaid-Lösungen wie Geschenkkarten und vieles mehr.
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