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Banken und Fintechs: Eher Partner als Konkurrenten

Im Interview spricht Gil Perez, Head of Strategy & Innovation Networks bei der Deutschen Bank, über innovative Ideen der Bank, den positiven Einfluss von Fintechs und Start-ups auf die Branche und die Umsetzung gemeinsamer Lösungen.

Herr Perez, können Banken jemals so innovativ sein wie Fintechs?

Sicher, es mangelt uns definitiv nicht an Ideen – und wir verfügen auch über einzigartige Möglichkeiten, diese Ideen umzusetzen.

Man sagt ja: Innovation besteht zu nur ein Prozent aus Inspiration und zu 99 Prozent aus Transpiration, also harter Arbeit. Es beginnt immer mit einer Idee, die dann aber auch realisiert werden muss. In unserer 150-jährigen Geschichte haben wir unsere Innovationsfähigkeit wiederholt unter Beweis gestellt, und dass wir Kunden dienen und dabei wirtschaftlichen Wert schaffen können. Und das in den verschiedensten Branchen, sei es Automobil, Energie oder Transport.

Die allgemeine Wahrnehmung ist aber doch, dass in jüngster Zeit Innovationen hauptsächlich von Fintechs und Start-Ups vorangetrieben wurden. Haben Banken etwas verpasst?

Ich glaube, dass Fintechs und viele andere innovative Start-ups einen positiven Einfluss auf die Finanzbranche haben. Banken sollten sie eher als potenzielle Partner betrachten, nicht als Konkurrenten.

Fintechs und Start-up-Unternehmen wenden moderne Technologien in ihren jeweiligen Marktsegmenten an, um sich zu differenzieren – zum Beispiel im Bereich mobiler Zahlungen oder Verbraucherkredite. Fintechs unterliegen meist keiner Regulierung, also können sie das Thema ignorieren oder verlassen sich auf die Kompetenz der Banken, wenn es um regulierte Dienstleistungen geht. Daher ergibt eine Partnerschaft für beide Seiten Sinn.

Darüber hinaus tragen Fintechs und Start-ups dazu bei, den Markt mit neuen Technologien zu versorgen und damit Banken und Marktteilnehmern neue Möglichkeiten zu eröffnen. Ein gutes Beispiel ist das Modell „Asset as a Service“ bei dem Hersteller ihre Maschinen nicht mehr an Kunden verkaufen, sondern ihnen die Dienstleistungen der Maschinen anbieten.

Unsere Unternehmensbank entwickelt hier gerade eine innovative Finanzlösung, die sich auf die Schnittstelle zwischen „Internet der Dinge“ (IoT), „pay per use“-Abrechnung (also „bezahle für die Nutzung“) und neue Geschäftsmodelle für Finanzdienstleistungen konzentriert. Somit haben wir eine weitere Gelegenheit, mit mehreren Fintechs und IoT-Unternehmen zusammenzuarbeiten, um unseren Kunden neue Finanzinstrumente anzubieten, mit denen sie wachsen und sich an die Marktanforderungen anpassen können.

Was machen Fintechs besser und wie können Banken mit ihnen mithalten?

Fintechs haben einen großen Vorteil, der manchmal übersehen wird: Sie müssen sich nicht mit technischen „Altlasten“ auseinandersetzen. Sie konnten direkt mit einer modernen Infrastruktur starten, die sehr einfach auf dem neuesten Stand gehalten werden kann. Daher können sie sich ganz darauf konzentrieren, Finanzdienstleistungen aus einer anderen Perspektive zu betrachten, neue Technologien zu testen und ihre frischen Ideen zum Leben zu erwecken – in einem Segment, in dem sie gewinnen können.

Banken gibt es schon viel länger und sie haben daher eine komplexe Technologie und Bereiche, die sich wandeln müssen. Es wäre aber zu riskant und zu kostspielig, alles wegzuwerfen und von vorne zu beginnen. Unsere Stärke ist jedoch, dass wir unsere Branche durch und durch kennen, und das gilt auch für die geltenden Vorschriften und wie wir ihnen nachkommen können. Und natürlich unser über Jahrzehnte aufgebautes weltweites Netzwerk sowie unsere schiere Größe.

Wir unterstützen Unternehmen, mittelständische Unternehmen und Start-ups in ihrem Geschäft im In- und Ausland. Denken Sie an einen europäischen Hersteller, der Waren an Kunden in Asien verkauft. Wir kümmern uns um die Handelsfinanzierung, verwalten die Zahlungstransaktionen und schützen unseren Kunden vor Währungsrisiken.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Banken und Start-ups ihre komparativen Vorteile zusammenbringen können. Als wir zum Beispiel das Online- und Mobile-Banking für unsere Privatkunden in Deutschland entwickelt und dann auch weiterentwickelt haben, haben wir mit Fintechs und Start-ups zusammengearbeitet.

Das war ganz entscheidend für den Erfolg, beispielsweise wenn es darum ging, dass unsere Kunden alle ihre Konten über unsere App sehen können, also auch die von anderen Banken, und bei Deutsche Bank ZinsMarkt, wo Kunden die Festgeld-Konditionen verschiedener Anbieter sehen und auswählen können. Das hätte vor kurzem noch völlig verrückt geklungen – dass die Deutsche Bank ihren Kunden die Produkte ihrer Konkurrenten anbietet.

Und wie kommen die Innovationen von Fintechs und Start-ups in die Bank?

Wir verfolgen ein nachfrageorientiertes Modell. Es beginnt in der Regel mit einer bestimmten Frage oder einem bestimmten Problem, das gelöst werden soll. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: In Santa Ana, Kalifornien, überprüft unser Document-Custody-Service-Team Darlehensunterlagen unserer Kunden für Immobilien-, Auto- oder Solaranlagenkredite, bevor sie finanziert, verbrieft oder verkauft werden können.

Um den hochgradig manuellen Prozess zu beschleunigen, bei dem täglich mehrere Lkw-Ladungen von Dokumenten bearbeitet werden, haben wir eine Lösung mit künstlicher Intelligenz eines New Yorker Start-ups eingesetzt und diese mit Hochgeschwindigkeitsscannern kombiniert. Das Team bearbeitet jetzt 20.000 Kredite pro Tag und scannt und analysiert dafür eine halbe Million Seiten – jeden Tag.

Wie finden Sie die passenden Lösungen und vielversprechende Fintechs?

Man muss in der Szene schon gut vernetzt sein. Genau deswegen ist das Innovationsnetzwerk der Bank global aufgestellt, mit Büros in Berlin, London, New York, Palo Alto sowie Singapur für den asiatisch-pazifischen Raum. Unsere Kolleg*innen halten permanent Ausschau nach interessanten Innovationen, sie suchen und finden Lösungen für das, was die Geschäftsbereiche der Bank brauchen.

Gemeinsame Ideenschmiede: Das Innovationsnetzwerk in Berlin

Wie stellen Sie sicher, dass diese Lösungen nicht in der komplexen Organisation einer Bank stecken bleiben?

Es stimmt, Banken sind komplex, und für ein junges Start-up ist es oft schwierig, sich in Prozessen wie der Risikobewertung zurechtzufinden. Aber ihre Lösungen können ohne diese Prüfungen nicht eingesetzt werden – das werden sie von allen Banken hören.

Auch darum kümmern sich unsere Innovationsnetzwerk-Teams und erleichtern den Start-ups den gesamten Prozess: vom ersten Kontakt bis zur Umsetzung der Lösung durch den jeweiligen Bereich der Bank. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn sich Dinge unerwartet entwickeln. Wir vermitteln den Start-ups, was die Bank von ihnen erwartet, wie sie tickt – das kommt super an. Und natürlich arbeiten wir permanent daran, Prozesse in der Bank zu verbessern.

Was läuft denn momentan in der Entwicklerszene? Welche Innovationen und Trends sehen Sie, was ist das nächste große Ding?

Persönlich sehe ich die folgenden drei Themen als die größten Chancen für weltweit tätige Banken und Finanzunternehmen:

Public Cloud – Wer die öffentliche Cloud nutzt, gewinnt Stabilität, Flexibilität und Produktivität, ohne jegliche Zugeständnisse an das Einhalten von Vorschriften wie Datensicherheit und Datenschutz.

Daten – Banken müssen ihren riesigen „Schatz“ an Daten besser nutzen. Dafür müssen sie weitere Kompetenz aufbauen: Es brauch mehr Datenexpertinnen und Leute, die sich mit maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz so gut auskennen, dass wir dies vermehrt anwenden können.

Aufsichtsbehörden – Banken arbeiten naturgemäß mit ihren Regulatoren zusammen und müssen dies in einem Bereich verstärken: Es geht darum, dass die Regulatoren ein besseres Verständnis für Innovationen wie digitale Plattformen bekommen. Denn nur dann können sie diese gutheißen und genehmigen. Ein Beispiel: Vor der Corona-Pandemie waren für bestimmte Vorgänge ausschließlich papierhafte Unterschriften zulässig. Da das aufgrund der Pandemie schwieriger zu erreichen war, haben wir uns dafür eingesetzt, digitale Signaturen ein Stück weit mehr durchzusetzen – und das war nur deshalb möglich, weil Banken und Aufsichtsbehörden gut zusammengearbeitet haben. Darauf sollten wir aufbauen.

Über Gil Perez

Gil Perez (Palo Alto, USA) arbeitet seit Dezember 2019 bei der Deutschen Bank und ist im Bereich Technologie, Daten und Innovation (TDI) für Strategie und das weltweite Innovationsnetzwerk verantwortlich. Zusammen mit seinem Team kümmert er sich um die Technologiepartnerschaften der Bank und arbeitet mit den Geschäfts- und Infrastrukturbereichen der Bank daran, Lösungen von Fintechs, Technologie-Startups und etablierten Technologieunternehmen für deren konkrete Anforderungen zu finden. Gil Perez begleitete zuvor acht Jahre lang die digitale Transformation von Unternehmenskunden bei seinem bisherigen Arbeitgeber, SAP. Er hat einen vielfältigen Hintergrund als Mitbegründer und Leiter mehrerer erfolgreicher Start-ups und Risikokapitalgeber.

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