„Deutsche Unternehmen sind nicht gut genug geschützt“

Jedes zweite Unternehmen ist durch Hacker existenziell bedroht. Ralf Wintergerst, Vorsitzender der Geschäftsführung des Technologieunternehmens Giesecke+Devrient und Bitkom-Präsident, über die größten Gefahren. Und wie wir uns schützen können.

#EconomyStory Video: Sicherheit in einer zunehmend vernetzten Welt

Kann die SIM-Technologie den Gefahren der digitalen Welt standhalten?

Die Summe ist enorm: 148 Milliarden Euro Schaden entstehen der deutschen Wirtschaft pro Jahr allein durch Cyberangriffe. Und die Unternehmen reagieren auf die Bedrohungen im digitalen Raum. Laut Digitalverband Bitkom investiert Deutschland mehr denn je in IT-Sicherheit. 2024 könnten die Ausgaben erstmals über der Marke von zehn Milliarden Euro liegen.

Ralf Wintergerst, Vorsitzender der Geschäftsführung des Technologieunternehmens Giesecke+Devrient (G+D) und Präsident des Digitalverbands Bitkom, sieht in Cyberattacken die derzeit wohl größte Bedrohung für Wirtschaft, Gesellschaft und Staat. Im Interview erklärt der promovierte Betriebswirt, welche Bereiche besonders gefährdet sind und wie die Sicherheit im digitalen Raum erhöht werden kann.

In Ihrer Rolle als Bitkom-Präsident haben Sie Cyberangriffe zuletzt mit Blick auf Attacken aus dem Ausland als „wesentlichen Teil hybrider Kriegsführung“ bezeichnet. Welche Bereiche sehen Sie in Deutschland und Europa besonders gefährdet?

Grundsätzlich sind alle Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen von Cyberangriffen bedroht – und Tag für Tag auch betroffen. Ein erfolgreicher Cyberangriff legt nicht einfach Computer lahm, er kann auch einen Produktionsstillstand zur Folge haben. Mittlerweile sieht mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen ihre Existenz dadurch gefährdet. Besonders gravierend kann eine erfolgreiche Cyberattacke sein, wenn sie kritische Infrastruktur trifft und auf diese Weise zum Beispiel die Energieversorgung zusammenbricht oder Krankenhäuser und Verkehrsknotenpunkte stillgelegt werden.

Besonders gravierend kann eine erfolgreiche Cyberattacke sein, wenn sie kritische Infrastruktur trifft Dr. Ralf Wintergerst

Was muss sich verändern, um diese Angriffe besser abzuwehren und kritische Infrastruktur deutlich stärker zu schützen?

Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden in den Ländern und im Bund, unseren Nachrichtendiensten bis hin zur Bundeswehr. Cyberangreifer orientieren sich nicht an unseren föderalen Strukturen und im Cyberraum sind die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit gefallen. Auf diese neue Situation müssen wir eine adäquate Antwort finden, indem alle beteiligten Stellen noch enger kooperieren, und zwar auf bundesweiter, europäischer und internationaler Ebene.

Cybersicherheit muss in Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung Chefsache werden. Dr. Ralf Wintergerst

Patente und geistiges Eigentum spielen in Deutschland eine große Rolle. Wie gut sehen Sie deutsche Unternehmen vor Cyberangriffen geschützt?

Leider nicht gut genug. Grundsätzlich gilt, dass Cybersicherheit in Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung Chefsache werden muss. Es müssen ausreichend Mittel für IT-Sicherheit zur Verfügung gestellt werden. Wir empfehlen mindestens 20 Prozent des IT-Budgets für Sicherheit aufzuwenden. Aber es geht nicht nur um Technik, es geht auch um Köpfe. Es müssen insbesondere auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult werden, um Angriffe frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Wir empfehlen mindestens 20 Prozent des IT-Budgets für Sicherheit aufzuwenden.Dr. Ralf Wintergerst

Neue Entwicklungen wie in der Quantentechnologie könnten das Risiko für Cyberattacken exponentiell erhöhen. Wie können sich Unternehmen schon heute und in Zukunft davor wappnen?

Unternehmen sollten sich bewusst machen, dass sie die verschiedenen Teile ihres Geschäfts unterschiedlich schützen müssen. Wenn es um die Kronjuwelen geht, dann muss man heute bereits darüber nachdenken, wie sicher zum Beispiel eine Verschlüsselung in fünf Jahren noch ist. Auf der anderen Seite können neue Technologien nicht nur von Angreifern genutzt werden. Ich denke da zum Beispiel an künstliche Intelligenz, die für Cyberattacken missbraucht werden kann, aber auch gute Dienste beim Erkennen und Abwehren von Angriffen leisten kann. Bei Giesecke+Devrient haben wir solche neuen Möglichkeiten stets im Blick. 

Dieses Interview wurde geführt von Georg Berger 07/2024

Deutsche Bank und Giesecke+Devrient

Als globale Hausbank begleitet die Deutsche Bank Giesecke+Devrient in relevanten Treasury Fragestellungen des Zahlungsverkehrs, Auslandsgeschäfts und Risikomanagements. „Wir pflegen seit Jahrzehnten eine vertrauensvolle Partnerschaft mit Giesecke+Devrient und sind stolz darauf, die dynamische Entwicklung der Gruppe mit unserem globalen Netzwerk und maßgeschneiderten Lösungen zu begleiten“, sagt Steffen Reis, Senior Coverage Banker der Deutschen Bank in München.

Giesecke und Devrient Unternehmensgebäude

Über Giesecke+Devrient

Giesecke+Devrient (G+D) ist ein weltweit tätiges Unternehmen für Sicherheitstechnologie mit Hauptsitz in München. Das Unternehmen schafft Vertrauen im digitalen Zeitalter, mit integrierten Sicherheitstechnologien in drei Geschäftsbereichen: Digital Security, Financial Platforms and Currency Technology.

G+D wurde 1852 gegründet und beschäftigt heute mehr als 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Geschäftsjahr 2023 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 3 Milliarden Euro. G+D ist mit 123 Tochtergesellschaften und Gemeinschaftsunternehmen in 40 Ländern vertreten.

Ralf Wintergerst

Dr. Ralf Wintergerst

Dr. Ralf Wintergerst ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Giesecke+Devrient (G+D). Neben seinen Aufgaben als Group CEO ist er zuständig für die Zentralbereiche Unternehmensstrategie sowie -entwicklung, Fusionen & Übernahmen, Unternehmenskommunikation, Compliance Management und Revision, Datenschutz sowie Recht und Corporate Governance. Zusätzlich verantwortet er als Arbeitsdirektor des Unternehmens den Bereich Personal.

Darüber hinaus ist er in mehreren Funktionen mit Bezug zu IT-Sicherheitsfragen tätig, u.a. als Mitglied des Beirats des Cyber Defense Instituts der Bundeswehruniversität in München und als Präsident des Digitalverbands Bitkom e.V. mit über 2.200 Mitgliedsunternehmen.

Georg Berger

Georg Berger

…interessiert sich dafür, wie künftige Lösungen für Cybersicherheit aussehen werden und welche Rolle künstliche Intelligenz und Quantencomputer dabei spielen könnten.

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